Neu im Kino

Im Spinnennetz des Guten

Szene aus dem Film "The Amazing Spider-Man 2: Rise Of Electro"
Szene aus dem Film "The Amazing Spider-Man 2: Rise Of Electro" © Sony/dpa
Von Hans-Ulrich Pönack · 16.04.2014
In den USA können die Kinobesucher von Superhelden nicht genug bekommen, meint unser Kritiker Hans-Ulrich Pönack. Bei uns hingegen wirken Filme wie "The Amazing Spider-Man 2" langsam ermüdend. Immerhin: Die Spezialeffekte stimmen.
Es geht also weiter mit den Von-vorne-Geschichten um die legendäre Comicfigur. Die ja eigentlich bereits vollständig abgefilmt war, als es 2011 hieß, noch mal zum Anfang zurück: mit "The Amazing Spider-Man". Anlässlich des 50-jährigen Comic-Geburtstages. Stichwort: Reboot. Also nicht Fortführung, sondern alles noch mal neu. Von Anfang an.
Erstaunlicherweise funktionierte die erste Folge mit dem modernisierten Spinnenbengel prächtig. In der zweiten Neuauflage aber nun nicht mehr so ganz. Hauptakteur und Titelheld Andrew Garfield ist zwar inzwischen 30, geht aber als Hochschulabsolvent Peter Parker gerade noch jünglich durch. Wirkt aber eigentlich, ebenso wie sein blondes Liebchen Gwen Stacy (Emma Stone, 25), schon ein bisschen zu reif für unschuldigen Highschool-Nachwuchs. Zudem: Peter ist nicht nur mit seinen polizeilichen Spinnenfähigkeiten zwiegespalten, sondern eben auch in der Beziehung mit Gwen. Die will natürlich nun wissen, woran sie bei und mit ihm emotional und bindungsmäßig ist, er aber hatte ja ihrem Vater einst versprochen, sich ihr nicht zu nähern. Von wegen: Wo er ist, lauert auch ständig die Gefahr. Was der Tochter nicht gut täte. Deshalb musste er ihrem sterbenden Captain-Papa einst versprechen, von Gwen abzulassen. Was Peter natürlich schwerfällt. Praktisch wie erklärend.
Also Normal-Thema 1: Liebe. Ziemlich unnötig breit ausgewalzt. Mit ollem Pusteblumen-Charme: Er mag mich ja, oder nein, was ist los, was soll ich davon halten? Bin sauer, oder etwa doch nicht? Gähn.
Die täglichen Abenteuer in New York
Peter ist gerne aktiv. Saust amüsiert durch die New Yorker Häuserschluchten, genießt seine Möglichkeiten. Bekämpft begeistert die Bösen. Signalisiert Botschaft: Gutsein ist toll, Gutes tun ebenso. Mensch, benimm dich wieder. Besser. Anständiger. Diese täglichen Abenteuer sind für ihn Pathos-Kick und weitaus verlockender, als sich jetzt schon in eine mögliche feste Bindung bürgerlich zurückziehen zu lassen. Motto: Wenn ich dies schon habe und kann, also freihändig und im Kostüm herumzujagen, dann muss ich dies auch nutzen. Benutzen. Ausnutzen. Oder?
Thema 2: Wer oder was bin ich oder will ich sein und werden? Sozusagen Action mit Psycho-Fragen. Bin doch schließlich ein exzellenter Super-Spinnen-Man. Oder? Da kann ich mich doch nicht so normal benehmen wie alle anderen. Oder? Dieses zweite Oder- beziehungsweise Sinn-Thema ist interessant. Aber auch nicht gerade übermäßig aufregend. Etwas-Gähn. Mit Verve. Also geschwätzigen Schwung.
Das große Plus - diese phänomenalen Action-Motive. Dabei werden die 200 Millionen Dollar Produktionskosten fantastisch sichtbar. Wenn ein heranfliegender LKW Menschen bedroht, was Spider lässig zu verhindern vermag; wenn ein riesiger Bus mit lauter Otto Normalbürger-Insassen bedrohlich wie rasend abzukippen scheint, was Spider prima-gut verhindert; wenn es also tricktechnisch voll und bestens zur Sache geht, kann Hollywood sich mit einem Jahrmarkts-Spektakel voll und ganz austoben. Mit 1 A-Radau. Also erster Krawall-Sahne. Hier dampft das Blockbuster-Kino ab. Fetzt ein ganz starker visueller Rock 'n' Roll. Thema 3: super-geil.
Trickreiches Blockbuster-Kino
Die Schurken. Number One: Der Typ ist für alle – im Parkett – sichtbar, von Anfang an gestört. Weitreichend bekloppt. Aber das eben erkennen nur wir. Was blöd ist. Weil und wenn man uns für so dusslig hält. Dass es die Anderen, also die im Film, nicht merken (dürfen). Er ist Elektroingenieur beim Firmengiganten Oscorp, heißt Max Dillon und wird vom Oscar-Hero Jamie Foxx (Ray) als dann mächtiger Wüterich in Blau vorgeführt. Der Verklemmte kriegt irgendwann zu viel Strom ab und mutiert fortan zum Elektro-Frankenstein. Fühlt sich nun erstmals anerkannt, ist zum ersten Lebensmale stark. Zum Beispiel – wunderbar dargeboten – beim Einsatz auf dem altehrwürdigen Times Square. Da sprühen und blitzen nur so die Funken. Wenn dieses feine New Yorker Wahrzeichen (mal wieder) in Schutt und Asche zerlegt wird. Dabei geht es um das Blut von Spider-Kerl. An das die Üblen heranwollen. Wie Peters ehemaliger Schulkamerad und dämonischer Oscorp-Erbe Harry (aalglatt: Dane DeHaan). Was mit den Anfängen und den einstigen wissenschaftlichen Forschungen und Handhabungen von Peters verschwundenem Vater zu tun hat.
Ein bisschen kompliziert, aber wurscht. In diesem Peter Parker-Spiderman-Kosmos. Wo es natürlich vor allem darum geht, in dem ganzen Sinn- und Seelen-Getue es auch mächtig wie atmosphärisch krachen zu lasen. Was dann eben auch ordentlich funktioniert. Beeindruckt. Wenn es ans actionreiche Eingemachte geht, sind die Effekte wirklich spitze. Thema 3 a, die spektakuläre Verbindung zwischen das Böse-Sein und –Zeigen, überzeugt. Wobei auch der lakonische Transporter-Fiesling Paul Giamatti (im stählernen Kostüm) und die zweifache Oscar-Lady Sally Field als Peters Quasi-Mama in gewichtigen Nebenparts bei diesem Böse-Gut-Ansinnen plausibel auftreten.
Die Amis können offensichtlich von dieser Supersuper-Helden-Nummer im Kino nicht genug bekommen, bei uns wirkt diese ewige Show um immer Dasselbe langsam ermüdend. Nach Außen hin durchaus noch originell trick-erfinderisch, im Story-Inneren aber eher lau. Gewöhnlich. Mit vielen Längen. Von wegen begehrende Liebe – verbale Hiebe – diese Triebe. Gähn. Aber es geht weiter. Wie wir beim rüden Abschluss erfahren. Nun denn.
The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro
USA 2014; Regie: Marc Webb; Darsteller: Andrew Garfield, Emma Stone, Jamie Foxx, Dane DeHaan; 142 Minuten
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