Neu im Kino: "Das Programm"

Armstrong - nicht der rechte Held

Der amerikanische Radsportler Lance Armstrong guckt kritisch
Der amerikanische Radsportler Lance Armstrong © picture alliance / dpa / Ncy
Von Hannelore Heider · 08.10.2015
Es ist der größte Radsport-Skandal aller Zeiten gewesen: die Geschichte des Texaners Lance Armstrong, der siebenmal die Tour de France gewann und dann als Dopingsünder überführt wurde. Stephen Frears bringt seine Geschichte jetzt auf die Leinwand.
Die Geschichte des erst als Idol verehrten, später als Betrüger entlarvten Radrennfahrers Lance Armstrong ist so spannend, wie inzwischen weltweit bekannt. Regisseur Stephen Frears stand also vor der Aufgabe, über die Befriedigung voyeuristischer Gelüste hinaus, diesen bisher skandalösesten Fall der Sport-Doping-Geschichte in ein menschliches Drama zu verwandeln.
Dafür freilich scheint der Texaner Lance Armstrong nicht der rechte Held zu sein. Sein Darsteller Ben Foster verbringt eine Glanzleistung, aber auch er kann aus dem Rennfahrer nicht mehr als einen extrem ehrgeizigen Sportler machen. "Um jeden Preis", der Untertitel der deutschen Synchronfassung, sagt eigentlich alles.
Auch die Teamkollegen wurden gnadenlos zu Doping genötigt
Lance Armstrong wurden schon zu Beginn seiner internationalen Karriere die körperlichen Voraussetzungen für exorbitante Leistungen im Sattel abgesprochen und zwar von seinem späteren Dopinggeschäftspartner, dem berüchtigten Arzt Michele Ferrari (Guillaume Canet). Armstrongs Schlussfolgerung aber war nicht die Aufgabe seiner ehrgeizigen Pläne, sondern der Beginn eines systematischen Dopings, zu dem er gnadenlos auch seine Teamkollegen nötigte. Hier sticht das Schicksal des jungen Rennfahrers Floyd Landis (Jesse Plemons) heraus und hier findet Stephen Frears auch sein Drama.
Gleiches trifft auf den Sportjournalisten David Walsh zu, der für die "Sunday Times" Jahr für Jahr von der Tour de France berichtete. Er sah in Lance Armstrong ein Supertalent, war begeistert und wurde bald zum ersten Skeptiker und Ankläger. Einem Idol wie Lance Armstrong aber Doping vorzuwerfen, machte ihn zum Aussätzigen in der Pressemeute und auch das ist eine emotional berührende Geschichte.
Erschreckendes Biopic über ein ganzes Doping-Jahrzehnt
Bevor Lance Armstrong stürzte, hatte er schon seine "Kollateralschäden" hinterlassen, und das nutzt der Dramaturgie eines Filmes, der ansonsten vornehmlich auf Frankreichs Straßen spielt und in den Kabinen von Physiotherapeuten und Medizinern. Obwohl wir meinten, bereits alles über den Fall des wiederauferstandenen Krebspatienten und strahlenden Siegers Lance Armstrong zu wissen, erschreckt einen Stephen Frears Biopic ob des über ein ganzes Jahrzehnt eiskalt abgewickelten Betrugs im Zusammenspiel von Sportlern, Mannschaftsbetreuern und Ärzten, die einen Sport, der einst die Massen begeisterte, so gründlich ruinierte.
Ob der tiefe Fall des Lance Armstrong potenzielle Doper verschreckt und die härteren Kontrollen den Radsport demnächst wieder sauber machen – das ist die Frage hinter jeder neuen Tour de France . Man ahnt die Antwort, erst recht, nachdem man "Das Programm - um jeden Preis" gesehen hat.

"Das Programm - Um jeden Preis"
Frankreich, Großbritannien 2015
Regie: Stephen Frears
Darsteller: Ben Foster, Dustin Hoffman, Denis Ménochet, Chris O'Dowd, Jesse Plemons, Guillaume Canet
Länge: 103 Minuten, ohne Altersbeschränkung

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