Netzkultur

Sie gucken verlegend

04:06 Minuten
03.08.2013
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Seit gestern ist das Leistungsschutzrecht in Kraft. Vieldiskutiert. Am Ende doch umgesetzt.
Seit gestern ist das Leistungsschutzrecht in Kraft. Vieldiskutiert. Am Ende doch umgesetzt. Max von Malotki, Zeitungsleser und Internetnutzer, kommentiert für uns.
Wochenlang haben sich Verleger und Politiker mit Fragen auseinandergesetzt, die sonst nur Sprachwissenschaftler interessieren. Wie lang ist eigentlich ein kurzer Satz? Wie viel Snippet darf der Mensch? Wie klein werden unsere Absatzzahlen, wenn die nicht für den Absatz zahlen? Das Leistungsschutzrecht. Ein unter größtem Lobbydruck beschaffter Strohhalm an den sich die Verlage auf hoher See klammern können wollten, im Schutz insbesondere gegen Google. Die Krake aus den Tiefen des Internets.
Und jetzt kommt's. Nachdem sich alle Seiten unter Schweiß und Tränen und dem missbilligenden Blick der User dieses Gesetz aus den Rippen geschnitten haben... was tun die Zeitungsmacher? Sie gucken verlegend. Der Springer-Verlag. Einer der größten Verfechter des Leistungsschutzrechtes sagt gönnerhaft: Wir erlauben das Google erst mal weiterhin uns auf Google News zu verlinken. Und es sieht so aus, als gelte das für die meisten Zeitungen. Springer hackt doch der anderen Krähe kein Auge aus. Hallo? Springer hat gerade dieses ganze alte Papierzeug an die Funke-Gruppe verkauft. Springer ist jetzt auch »voll Internet«. Kumpels for Life. Großer Aggregator, wir lieben Dich. War nurn Schuss vor den Bug? Wieder Freunde?
Stop. Um das zu verdeutlichen. Es geht nicht darum Springer zu kritisieren, und die Seite von Google zu verteidigen oder auf die einfach gestrickte Gegenkampagne des Internetkonzerns aufzuspringen. Dass die Zeitungen das Internet, wie wir es kennen, kaputt machen wollen, nur um ihre Haut zu retten. Dass das Netz an sich und damit die Freiheit in Gefahr ist. Ja, Ja. Google der Menschenrechtsanwalt. Google ist vor allem ein Milliardenkonzern, der zwar lange Zeit die Netzneutralitätsflagge geschwenkt und für die Freiheit gekämpft hat. Aber seitdem die Firma z.B. selbst als Provider auftritt und in Amerika Hochgeschwindigkeitsinternet anbietet, ist das mit dem Wunsch nach Netzneutralität auch schon weniger geworden. Da gilt es auf einmal die eigenen Interessen zu beschützen und Leute daran zu hindern ihre tollen Gigabit-Anschlüsse so wirklich auszunutzen.
Google tut immer so, als sei es so unglaublich power to the people, der Ritter des Machtvakuums, ein Prometheus, der den Menschen die Tools zur Verfügung stellt. Aber die beschützen nur ihr Geschäftsfeld. Wie Springer auch. Lässt sich nur leichter verkaufen.
Was wirklich ärgerlich ist, ist die Tatsache, dass hier kostbare Zeit und Ressourcen verschwendet worden sind. Deutschlands Politik nimmt sich die Zeit, gegen allen Protest einen Atavismus von einem Gesetz zu erschaffen, das dann nicht mal genutzt wird. Für die Tonne produziert. Es hieß Lex Google. Am Ende trifft es vornehmlich die kleinen Projekte. Wie zum Beispiel den Aggregator Rivva. Ein kleines Ein-Mann-Projekt. Und dieser Mann ist leider nicht gleichzeitig eine Horde Anwälte, die das ganze verteidigen könnte. Rivva musste 650 Quellen aus dem Angebot streichen. Da kuscht keiner wie bei Google.
Das Gesetz wird zu Recht innovationsfeindlich genannt. Welcher Neuling setzt denn jetzt noch seinen Fuß auf so heikles Terrain? Und der ganze Zirkus hat verhindert, dass man sich in der Zeit wirklich vernünftig damit auseinandersetzt, wie z.B. eine Urheberrechtsnovelle für das Internetzeitalter aussehen könnte. Partikularinteressen haben hier mehr Unsicherheit als Klarheit geschaffen. Kann die Politik bitte endlich anfangen, Lösungen für Probleme zu finden, die ihnen nicht von den großen Wirtschaftslobbys dieses Planeten aufgedrückt werden. Wir brauchen Lösungen für die Probleme, die die Menschen im Netz haben. NSA und Co. wäre so eines gewesen, liebe Bundesregierung. Aber dann muss man ja in die Sommerpause.
Foto: Welpen von David Schiersner auf Flickr, CC-BY. Warum? Darum.