Streaming mit Werbeunterbrechungen

Wagt Netflix den Tabubruch?

09:09 Minuten
Auf einem TV-Bildschirm sind Logos von Medienplattformen zu sehen, darunter hervorgehoben dasjenige von Netflix.
Das Netflix-Management will die Talfahrt der letzten Monate aufhalten. © imago-images / photothel / Thomas Trutschel
Jenni Zylka im Gespräch mit Vladimir Balzer · 27.04.2022
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Netflix plant offenbar, auf die sinkenden Kundenzahlen mit Einführung von günstigeren Abos zu reagieren. Dort kann dann auch Werbung laufen. Der Konkurrenzdruck werde in den nächsten Jahren noch zunehmen, sagt Medienkritikerin Jenni Zylka.
In den letzten drei Monaten hat der Streamingdienst Netflix 200.000 Bezahlabos verloren. Gerechnet hatte man stattdessen mit zwei Millionen Neukunden. Auf den herben Schlag folgte auch ein Kurseinsturz der Börsenaktien und Aufregung bei den Anlegern. Das Management erwägt die Einführung von günstigeren Abos, in denen dann Werbung geschaltet werden kann. Bisher galt dies als Tabu.
Die bisher äußerst erfolgreiche Entwicklung von Netflix habe so nicht weitergehen können, sagt Medienkritikerin Jenni Zylka. Man habe extrem von den Lockdowns während der Corona-Pandemie profitiert und auch die Abopreise seien stetig gestiegen.

Hochwertige Inhalte sind teuer

"Die Anzahl der Abos ist schon nah am Sättigungsgrad und auch die Konkurrenz hat nicht geschlafen. Außerdem ist es ein Grundfehler, davon auszugehen, dass es immer Wachstum geben muss, das gibt es nirgendwo." Schwankungen und Einbrüche gebe es auch bei anderen Anbietern, nicht zuletzt wegen des aktuellen Wegfalls der Abos aus Russland.
Auch dass die Bezahlabos in letzter Zeit teurer geworden sind, sei nur ein Hinweis darauf, dass sie zuvor zu niedrig gewesen seien. "Stets neue, hochwertige Inhalte anzubieten, die über Jahre hinweg entwickelt wurden, ist eben teuer", so Zylka.
Die Einführung von günstigeren Abonnements mit Werbung hält Zylka für wirtschaftlich nachvollziehbar und kann sich daraufhin auch einen erneuten Kundenzuwachs bei Netflix vorstellen.
"Inhaltlich finde ich die Idee nicht gut. Es könnte dadurch Produktionen geben, bei denen – wie damals bei den Sitcoms oder bei klassisch-formatierten Serien im linearen Fernsehen – diese Extra-Werbepausen quasi dramaturgisch mitgedacht und reingeschrieben werden müssen."

Streaming-Anbieter verfolgen verschiedene Ansätze parallel

Die Streamingdienste entwickelten sich andauernd weiter und hätten sogar verschiedene parallele Ansätze, meint Zylka. Bei bestimmten Produktionen gebe es die Möglichkeit des "Binging" und bei anderen verfolge man bewusst die lineare Idee, um die Leute bei der Stange zu halten: "Wenn die nächste Folge tatsächlich erst nächste Woche verfügbar ist und ich süchtig nach der Serie bin, dann kann ich mein Abo nicht nach dem Probemonat kündigen."
Die Konkurrenz werde in den nächsten Jahren immer größer werden, glaubt Zylka. Vieles werde sich verändern und verschieben. "Manche Sachen werden es nicht schaffen und die wird es dann nicht mehr geben. Das ist in der Vergangenheit auch schon mit Sendern und Sendekonzepten im linearen Fernsehen passiert."
(rja)
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