Nachwuchsviolinistin Cathy Heidt

Zwischen Leidenschaft und Disziplin

04:43 Minuten
Junge Orchestermusiker stehen beisammen und spielen Musik.
In Orchestern findet man Freunde fürs Leben, sagt Cathy Heidt, hier links vorne im Bild. © European Union Youth Orchestra/Marco Caselli Nirmal
Von Jonas Ochsmann · 10.08.2020
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Schon im Kindesalter spielte Cathy Heidt ihr Instrument: Mit 23 Jahren hat es die Luxemburger Geigerin nun schon zum dritten Mal in die Auswahl des European Union Youth Orchestra geschafft.
"Ich heiße Cathy Heidt und bin 23 Jahre alt. Meine Geige ist eine von Tetsuo Matsuda, eine Nachbildung von einer Guarneri del Gesu. Und die habe ich seit vier, fünf Jahren. Davor hat sie meinem Lehrer aus Luxemburg gehört. Es ist eigentlich das Baby, wirklich das Herzstück eines Musikers. Es ist eigentlich das Sprachrohr: Man projiziert seine Stimme damit und seine Seele."
Gerade probt Cathy Heidt die zweite Geigenstimme für das Konzert mit dem European Union Youth Orchestra. Die junge Musikerin schwärmt über das Zusammenspiel im Orchester:
"Man fühlt einfach diesen Zusammenhalt und wie dieser ganze orchestrale Körper wie ein Schiff umher segelt, durch alle Gewässer, durch ganz leichte Brisen und durch einen Sturm. Und man macht das alles zusammen, man sitzt wirklich in einem Boot. Ich habe mich selten so wohl und geborgen gefühlt in einem Orchester.."

Sie musizierte schon im Kindesalter

Cathy Heidt wächst im ländlichen Luxemburg auf. Ihre Mutter spielt im Kirchenorchester der nächsten Stadt Gitarre. "Und sie meinte, hast du nicht Lust da in diese Klasse zu gehen. Und ich meinte ja, warum nicht?"
Das Musizieren mit anderen Kindern legt bei ihr den Grundstein für ihre spätere Leidenschaft. Mit sechs Jahren beginnt sie Geige zu spielen. Ihr Lehrer ist dabei eine große Inspiration.
"Er meinte immer: mit sehr viel Ausdruck spielen und leidenschaftlich. Ich glaube, das ist auch mit das Wichtigste, wenn man Musik macht. Also nicht einfach plump Noten zu spielen, sondern wirklich Inhalt reinzupacken, eigene Interpretationen und auch Emotionen - und das rüberbringen, was hinter diesen Noten noch steht."

Die Leidenschaft als Beruf

Als Jugendliche wird Cathy klar: Sie möchte ihre Leidenschaft zum Beruf machen. Besonders ein Stück ist ihr aus dieser Zeit in Erinnerung geblieben:
"Das ausschlaggebende Stück war die erste Paganini-Caprice, die ich damals gespielt habe. Da habe ich dann gedacht: Das will ich so weitermachen. Das war der Moment, als ich das Stück geübt habe, dass ich dachte: Das will ich länger machen."

Früh ging es nach Berlin

Ihr Lehrer schlägt ihr vor, auf das Bach Gymnasium in Berlin zu gehen:
"Das war grandios für mich, ich wollte auch immer früh aus dem Haus. Ich liebe meine Eltern und bin gern Zuhause, aber ich wollte früh ins Ausland."

Programmtipp: Am 16. August 2020 hören Sie ab 20 Uhr auf Deutschlandfunk Kultur ein weiteres Konzert aus dem Programm von "Young Euro Classic". Weitere Mitschnitte von dem Berliner Nachwuchsfestival finden Sie in unserem Konzertportal.

Zuhause spricht Cathy Heidt Vietnamesisch und Luxemburgisch, Deutsch lernte sie in der Schule. Der Umzug nach Berlin war ein wichtiger Schritt für sie, wenn auch kein leichter:
"Ich kam aus einem winzigen Dorf mit vielleicht 200, 300 Einwohner in diese riesige Stadt. Ich hatte noch nie eine U-Bahn gesehen, noch nie eine S-Bahn gesehen. Ich musste erst einmal zurechtkommen mit diesem ganzen Straßennetz. Aber nach und nach ging es schon. Die erste Zeit, ich würde sagen, die ersten drei Monate waren ziemlich hart. Da hatte ich auch Heimweh. Die Unterrichte waren irgendwie nicht das, was ich gewohnt war. Aber nach und nach habe ich mich schon wohlgefühlt. Und ich glaube, nach dem ersten Jahr war ich eigentlich ganz Zuhause.

"Man muss jeden Tag dranbleiben"

Nach dem Abitur beginnt sie das Geigenstudium in Berlin. Mittlerweile steht sie kurz vor dem Bachelor-Abschluss. Das heißt vor allem: viel üben, sich vor Publikum beweisen und auch mit anderen Talenten um begehrte Plätze konkurrieren. Zwischen Leidenschaft und Disziplin, in dieser schwierigen Balance bewegt sich der Alltag der werdenden Berufsmusikerin: "Man muss schon wirklich dranbleiben jeden Tag, um nicht die Fertigkeit zu verlieren.
Die Konzert- und Probenausfälle in der Coronakrise erlebt die Musikerin daher auch als Atempause.
"Ich hatte gemischte Gefühle. Einerseits war ich ein bisschen froh, mal ein paar Wochen richtig Urlaub machen zu können. Aber danach hat die Musik einem schon gefehlt. Vor allem das gemeinsame Musizieren, man konnte ja nicht einfach ein Quartett zusammenbringen. Oder auch mit einem Orchester spielen - das ist ja gar nicht möglich gewesen."

Ein Stück gelebtes Europa

Umso mehr freut sich Cathy, dass sie wieder mit dem European Union Youth Orchestra auftreten kann, wenn auch mit reduziertem Ensemble. Schon das dritte Jahr hat sie es wieder in die Auswahl geschafft. Das Orchester ist für Cathy auch ein Stück gelebtes Europa.
Geredet wird "meistens auf Englisch. Wenn man deutsche Grüppchen hat, dann auf Deutsch oder Französisch oder Spanisch. Aber meistens alle zusammen auf Englisch. Und man redet über alles, von der Probe, von der Musik bis hin zum Alltag. Man ist ja auf diesen Tourneen sehr lange unterwegs. Vier bis sechs Wochen. Meistens sind die Leute auf mehreren Tourneen dabei. Und dann schließt man schon lange Freundschaften fürs Leben."
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