Naturkundemuseum Berlin

Kunst trifft Dinosaurier

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Ein Mädchen schaut sich den Schädel eines Dicraeosaurus am Familientag im Naturkundemuseum in Berlin ganz genau an. © picture alliance / dpa / Gregor Fischer
Von Simone Reber  · 28.08.2015
Um den Blick auf seine Bestände zu erweitern, hat das Naturkundemuseum Berlin eine Reihe mit künstlerischen Interventionen gestartet. In vier Kapiteln werden Künstler bis ins Jahr 2018 in die bestehenden Ausstellungen eingreifen - die ersten Werke sind bereits zu erleben.
Es ist kalt und dunkel, nur der Alkohol in den Gläsern leuchtet goldgelb. Darin eingelegt schimmern leichenbleich die Körper toter Fische und Schlangen. In der sogenannten Nasssammlung des Berliner Naturkundemuseums reichen die Regale bis zur Decke. Als sie den Raum zum ersten Mal betrat, war die norwegische Künstlerin Anne Katrin Dolven erschrocken über die unheimliche Stille in dem Raum. Aus ihrer Heimat kannte sie das Paarungsgeräusch des Kabeljaus. So fuhr die Künstlerin gemeinsam mit dem Leiter des Tierstimmenarchivs auf die Lofoten, eine Inselgruppe vor Norwegen. Ihre Klanginstallation "echoecho" füllt nun die Fischsammlung mit den Geräuschen der lebenden Tiere.
"Was wir jetzt hören sind Mikrophone 50 Meter tief, ins Meer, und wir haben dann die Fische gefunden und dann haben wir vier Stunden Aufnahmen gemacht. Und jetzt hören wir auch, was die Fische eigentlich hören. Wir hören Boote, Motoren, weit weg, und dann kommt dieser ganz krasse, scharfe Ton von dem Grrrrrt, die haben Beziehungen, die Fische. "
Auf dem Weg zur nächsten Arbeit in der Reihe Kunst/ Natur fällt der Blick auf ein grasendes Wildpferd oder ein gehäutetes Eichhörnchen. So spektakulär sind die visuellen Sensationen im Naturkundemuseum, dass die Künstler für ihre Interventionen alle den Klang wählen. Sabine Scho hat mit fast wissenschaftlichem Ehrgeiz die unterschiedlichen Sinne im Tierreich betrachtet. Von den Elektrorezeptoren des Hammerhais, der über zwölf Kilometer Entfernung auch reglose Beute aufspüren kann, bis zum Tastsinn des Krokodils, das am ganzen Körper so empfindlich ist wie der Mensch an den Fingerspitzen. Ihre Erkenntnisse hat Sabine Schon gemeinsam mit dem Illustrator Andreas Töpfer in einer Broschüre und einem Audioguide zusammengefasst. In Gedichten von Sabine Scho können Besucher mehr erfahren zum Beispiel über den Urvogel Archaeopteryx.
"Da gibt es eine schöne Geschichte dazu, die ist auch mit eingeflossen, der ist als er gefunden worden ist und an den ersten Besitzer getauscht worden ist, gegen eine Kuh getauscht worden."
"Archaeopteryx, Berliner Exemplar. Übers Ohr gehauen für ein platt gemachtes Hühnchen, ein Kuhhandel, hört sich bescheiden an. Am Übergang von erdgeprägten Geschöpfen zu luftdurchstoßenden Tölpeln, vom Krallengang zur sturzbereiten Klaue. "
Eine Armee von skelettierten Küken
Mit dem Gedicht in den Ohren wirken die Knochen des Riesenvogels auf einmal ganz zart. Ein ähnlicher Effekt entsteht beim zweiten Teil der Arbeit von AK Dolven im Vogelsaal. Der Raum mit seinen hohen Stuckdecken wird nur ausnahmsweise für die Vorführung des Klangstücks geöffnet. In den Vitrinen sitzen Heerscharen von Vögeln. Gespenstisch tritt da eine ganze graue Armee von skelettierten Küken an. Daneben präparierte Adler, Schwäne, Flamingos, Eulen, Papageien, Strauße. Die Künstlerin sah in den Vögeln aus allen Teilen der Welt ein Bild für die Migration. Ihr Klanggedicht fragt nach Heimat und Nachbarschaft.
"Did you eat last night. Last night who slept next to you. He was next to him, she was next to her, she was not next to me. Warum waren wir da. Ich konnte doch fliegen."

Die letzte Arbeit dieses Zyklus stammt von dem französischen Künstler Saadane Afif. Am ersten Advent will er im Dinosauriersaal mit einer musikalischen Performance die Welt untergehen lassen. Noch befindet sich die Apokalypse in Vorbereitung, nur Plakate weisen bereits darauf hin. Für das Museum entstehen aus der Kooperation neue Perspektive auf die Sammlung, stellt die Organisatorin Anita Hermannstädter fest.
"Ich habe die Objekte für mich neu entdeckt. Also ich kenne den Vogelsaal seit 2001, ich war da sehr oft, ich habe da recherchiert für Ausstellungen. Und als ich das das erste Mal gehört habe, es dauert ja 20 Minuten, die Sonne schien durch das Fenster. Und ich habe mir zum ersten Mal diese Präparate näher angeguckt, diese Vögel. Ich habe das leuchtende Gefieder ganz anders wahrgenommen, ich habe mich darauf eingelassen auf diese meditative Stimmung."
Auch für Besucher erweitert sich mit der Kunst die Wahrnehmung der Museumswelt. Wie bei einer Doppelbelichtung scheint jetzt hinter den eingelegten und präparierten Tieren eine Vorstellung der Lebewesen auf. Die Exponate setzen sich in Bewegung. Tags im Museum.
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