Nather Henafe Alali: "Raum ohne Fenster"
Aus dem Arabischen von Rafael Sánchez
Frankfurt/M., S. Fischer, 2018
220 Seiten, 20 Euro
Nicht Flüchtling, sondern Mensch
„Nennt mich nicht Flüchtling“, schrieb Nather Henafe Alali in einem Essay. Denn hinter dieser Bezeichnung stehen Menschen mit Zweifeln, Ängsten und Hoffnungen, wie der aus Syrien stammende Autor in "Raum ohne Fenster" auf eindrückliche Weise zeigt.
Wir kennen die Bilder – bis zum Überdruss. Sehen seit Jahren in Schutt und Asche gelegte Städte, panische Zivilisten, Leichen zwischen Trümmern oder auf den Fluren notdürftig eingerichteter Lazarette. Im Gegenschnitt sehen wir Panzer und Artillerie, Kampfflugzeuge am blauen Himmel über Syrien, in den Rauchwolken aufsteigen.
Wir sehen auch überfüllte Flüchtlingsboote, überfüllte Zeltlager, Warteschlangen an Grenzen und vor Ämtern, überfüllte Flüchtlingsunterkünfte. Menschen sehen wir nicht. Sie sind irgendwo auf der Strecke geblieben in sieben Jahren Krieg, untergegangen auch in Bilderflut und politischem Diskurs.
Über Menschen aber schreibt der 1989 in Syrien geborene Nather Henafe Alali. Er gehört zu jenen, die vom Assad-Regime inhaftiert wurden. Er konnte aus seiner Heimat fliehen und fand in der Fremde Stimme und Gehör. Zwei Jahre lang war der ehemalige Student der Zahnmedizin Kolumnist für den "Spiegel".
Wir sehen auch überfüllte Flüchtlingsboote, überfüllte Zeltlager, Warteschlangen an Grenzen und vor Ämtern, überfüllte Flüchtlingsunterkünfte. Menschen sehen wir nicht. Sie sind irgendwo auf der Strecke geblieben in sieben Jahren Krieg, untergegangen auch in Bilderflut und politischem Diskurs.
Über Menschen aber schreibt der 1989 in Syrien geborene Nather Henafe Alali. Er gehört zu jenen, die vom Assad-Regime inhaftiert wurden. Er konnte aus seiner Heimat fliehen und fand in der Fremde Stimme und Gehör. Zwei Jahre lang war der ehemalige Student der Zahnmedizin Kolumnist für den "Spiegel".
Gerettet und doch verloren
"Ich will kein Flüchtling sein. Nennt mich ein historisches Ereignis oder einen Schmerzsturm, aber nennt mich nicht Flüchtling" – schrieb er dort vor mehr als zweieinhalb Jahren.
Nun ist ein Roman von Alali erschienen: "Raum ohne Fenster". Die Schmerzen syrischer Männer und Frauen sind darin beispielhaft und auf eindringliche Weise beschrieben.
Schon der Titel löst klaustrophobische Fantasien aus. Es geht in dem Roman jedoch nicht um einen Raum mit Wänden aus Stein, sondern um den Zustand äußerster Verletzbarkeit bei gleichzeitiger Isolation, um die Existenz in einem Vakuum. Nichts dringt heraus, aber alles drängt hinein. Wer sich in einem solchen Raum aufhält, hat Angst, schläft schlecht und spürt bei jeder Bewegung Ohnmacht.
Salim ist mit Hayat verheiratet, die beiden haben einen kleinen Sohn und leben in einem von Assads Truppen belagerten Stadtviertel. Hayat ist schwanger, als Salim bei einem Angriff tödlich verletzt wird. Aziz, Freund der beiden, schleppt Salim noch in eine Ambulanz, die kurz darauf aber gestürmt wird. Aziz schließt sich dem Rückzug einer Rebellentruppe an, befreundet sich mit deren Anführer Alaa. Mit ihm gelangt er aus der Stadt, dann über die Grenze ins Nachbarland und schließlich im Flüchtlingsboot über das Mittelmeer nach Europa. Dort trifft er zufällig Hayat wieder, die sich mit ihrem Sohn und dessen inzwischen geborenem Brüderchen ebenfalls auf den Weg ins Exil gemacht hatte.
Nun ist ein Roman von Alali erschienen: "Raum ohne Fenster". Die Schmerzen syrischer Männer und Frauen sind darin beispielhaft und auf eindringliche Weise beschrieben.
Schon der Titel löst klaustrophobische Fantasien aus. Es geht in dem Roman jedoch nicht um einen Raum mit Wänden aus Stein, sondern um den Zustand äußerster Verletzbarkeit bei gleichzeitiger Isolation, um die Existenz in einem Vakuum. Nichts dringt heraus, aber alles drängt hinein. Wer sich in einem solchen Raum aufhält, hat Angst, schläft schlecht und spürt bei jeder Bewegung Ohnmacht.
Salim ist mit Hayat verheiratet, die beiden haben einen kleinen Sohn und leben in einem von Assads Truppen belagerten Stadtviertel. Hayat ist schwanger, als Salim bei einem Angriff tödlich verletzt wird. Aziz, Freund der beiden, schleppt Salim noch in eine Ambulanz, die kurz darauf aber gestürmt wird. Aziz schließt sich dem Rückzug einer Rebellentruppe an, befreundet sich mit deren Anführer Alaa. Mit ihm gelangt er aus der Stadt, dann über die Grenze ins Nachbarland und schließlich im Flüchtlingsboot über das Mittelmeer nach Europa. Dort trifft er zufällig Hayat wieder, die sich mit ihrem Sohn und dessen inzwischen geborenem Brüderchen ebenfalls auf den Weg ins Exil gemacht hatte.
Leben im Vakuum
Ihr Leben haben die Protagonisten gerettet, ihre Identität aber verloren.
Alali schreibt biografisch, emotional und poetisch. Matte Bilder, die wir zu kennen glauben, bekommen hier einen dunklen Glanz. Erzählt wird anhand konkreter Figuren das Schicksal von Millionen. Ihr Leid, ihre Entbehrungen, Zweifel, Sehnsüchte, Ängste und Widersprüche, ihre Wut und Enttäuschung artikulieren sich in knappen Dialogen und philosophischen Selbstgesprächen. Auch wenn ein von Pathos überladener Ton sich immer wieder Bahn bricht, leuchtet doch in einfachen Dinge Essenzielles auf: eine Tasse Kaffee kann Ekstase auslösen, ein Medikament oder ein Lied.
Der Blick auf das Leben – unser eigenes und das derjenigen, die wir pauschal als Flüchtlinge betrachten – setzt sich bei der Lektüre dieses Buches neu zusammen. Es bietet die Chance, einen Menschen zu erkennen, wenn wir einen Flüchtling sehen.
Alali schreibt biografisch, emotional und poetisch. Matte Bilder, die wir zu kennen glauben, bekommen hier einen dunklen Glanz. Erzählt wird anhand konkreter Figuren das Schicksal von Millionen. Ihr Leid, ihre Entbehrungen, Zweifel, Sehnsüchte, Ängste und Widersprüche, ihre Wut und Enttäuschung artikulieren sich in knappen Dialogen und philosophischen Selbstgesprächen. Auch wenn ein von Pathos überladener Ton sich immer wieder Bahn bricht, leuchtet doch in einfachen Dinge Essenzielles auf: eine Tasse Kaffee kann Ekstase auslösen, ein Medikament oder ein Lied.
Der Blick auf das Leben – unser eigenes und das derjenigen, die wir pauschal als Flüchtlinge betrachten – setzt sich bei der Lektüre dieses Buches neu zusammen. Es bietet die Chance, einen Menschen zu erkennen, wenn wir einen Flüchtling sehen.