Nataly Elisabeth Savina: „Meine beste Bitch“

Normal ist in diesem Roman fast niemand

Cover von Nataly Elisabeth Savinas Jugendbuch "Meine beste Bitch". Im Hintergrund sind zwei junge Frauen zu sehen, die ihre Hände in den Himmel strecken.
"Meine beste Bitch" erzählt vom Weggehen und Loslassen, von Verrat, Verlust und Neubeginn. © Fischer / Unsplash / Simon Maage
Von Sylvia Schwab · 19.12.2018
Faine und ihre "allerbeste bitch" Nike leiden unter Panikattacken und Rastlosigkeit – und träumen von einem Leben in der glitzernden Großstadt Berlin. Savinas Jugendbuch erzählt vom Rausch der Freiheit und ist verwirrend-schön.
"Bitch", so nennen sich Faina und ihre allerbeste Freundin Nike gegenseitig. Sie sind 17 und 18 Jahre alt, eng vertraut, fast symbiotisch miteinander verbunden. Bis Nike zum Studium nach Hamburg geht und Faina ein Jahr später dem geliebten Julian nach Berlin folgt. Einen Sommer lang zelebrieren die beiden dort ihre neue Freiheit mit Sex, Drogen, Alkohol und schrägen Kunst-Perfomances. Doch Nike, die nach Berlin zu Besuch kommt, spannt Faina den Geliebten aus. Fainas Wut ist groß, ihre Verzweiflung noch größer, es folgen ein Zusammenbruch und ein dramatischer Schluss, der alles verändert.

Panikattacken, Eifersucht, Albträume

"Normal" ist in diesem Roman fast niemand. Faina nicht, die unter Panikattacken, Juckreiz und Albträumen leidet. Ihre Mutter nicht, die sich eifersüchtig und übergriffig permanent in Fainas Leben einmischt. Auch Nike nicht, die sich rastlos bei jedem sozialen oder politischen Projekt engagiert und auch der schöne, undurchsichtige Julian nicht. Eigentlich gibt es nur einen Menschen, der auf positive Weise normal und beständig ist: Achim, Fainas langjähriger Schulfreund, der sie bedingungslos liebt und am Schluss auch dafür sorgt, dass die sich abzeichnende Tragödie erträglich bleibt.

Rausch der Freiheit

"Meine beste Bitch" erzählt von einer ganz besonderen Übergangssphase im Leben, vom Rausch der Freiheit und der Trance erster Liebe. Vom Weggehen und Loslassen, von Verrat und Verlust und Neubeginn. Doch diese alten Themen kommen hochmodern daher. Erzählt von einer leicht gestörten Protagonistin, spielt die Handlung in der In-Metropole Europas. Berlin, die Großstadt der Träume, ist "flatterhaft und funky-glitzernd", dann wieder trostlos, schmutzig und einsam. Faina und Julian wollen Kunst studieren und beschäftigen sich mit der Frage, wie innovativ oder originell Kunst heute noch sein kann. Indirekt geht es hier also auch um Literatur und ums Schreiben. Das sind Fragen, die zwar nicht in diesem Roman beantwortet werden, aber mit diesem Roman.

Eigenwillige und reizvolle Erzählweise

"Meine beste Bitch" besticht durch besondere Kreativität. Ungewöhnlich sind nicht nur das exzentrische Personal und die atmosphärisch dicht gezeichnete Großstadt Berlin. Auch Fainas Erzählweise ist eigenwillig und reizvoll, mit intuitiver Sicherheit beherrscht sie die unterschiedlichsten Tonlagen. Kühl und konzentriert beschreibt sie ihre Lebenssituation und ihre Erlebnisse. Um dann – wie erleuchtet – in poetisch-intensiven Bildern und sinnlich-dichten Formulierungen ihre Gefühle und Stimmungen zu schildern. Oder mit witzig-ironischen Vergleichen komplizierte Seelenzustände auf den Punkt zu bringen.
Ihre Sprache ist so komplex und vielschichtig wie ihre Psyche. Und es ist nicht nur packend, sondern auch anrührend zu beobachten, wie sich hier Distanz und Nähe, Freiheit und Zerrissenheit in der Sprache unmittelbar ausdrücken. Das ist ohne Sentimentalität geschrieben, verwirrend-schön und – wie es einmal über einen Song von Sean Lennon heißt – in einer "Mischung aus Sehnsucht, Lebenslust, Trauer und Humor".

Nataly Elisabeth Savina: "Meine beste Bitch"
Fischer Verlag, Frankfurt 2018, 281 Seiten, 16 Euro, 14 bis 17 Jahre

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