Namina Forna: "Die Göttinnen von Otera"

Dämonen, Geheimnisse und eine gefährliche Mission

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Cover des Buchs „Die Göttinnen von Otera. Golden wie Blut“ von Namina Forna.
Augen funkeln inflationär, Wangen erröten und Zornesfalten beben: Das ist für ein ambitioniertes Jugendbuch zu wenig. © Loewe Verlag / Deutschlandradio
Von Susanne Billig · 01.12.2020
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"Gold wie Blut" ist der erste Band einer Fantasy-Trilogie. Angepriesen wurde er für seine gesellschaftspolitische Relevanz: mit starken weiblichen Charakteren und westafrikanischem Setting. Doch das Konzept der US-Autorin Namina Forna geht nicht auf.
Deka ist 16 Jahre alt, als sie zum Reinheitsritual geführt wird. Die Außenseiterin – ihre Haut ist dunkler als die der anderen – hofft, die Zeremonie werde ihr im Dorf endlich Gleichberechtigung verschaffen. Doch nach dem rituellen Schnitt fließt aus ihren Adern kein rotes, sondern goldenes Blut. Häscher packen sie und schleifen sie davon.
Auf monumentalen 500 Seiten – die den ersten Teil einer geplanten Trilogie darstellen - setzt Namina Forna in ihrem Jugend-Fantasyroman "Die Göttinnen von Otera" ihre Protagonistin Deka allem aus, was in einer Fantasy-Welt nur passieren kann.
Da gibt es Dämonen und schreckliche "Todesrufer", ein Geheimnis um die eigene Herkunft, die Ausbildung zur jungen Kriegerin, den edlen jungen Waffenbruder und ein allmähliches Erwachen zur weltenrettenden Mission.

Rassismus und Geschlechterdiskriminierung

Der Verlag gab den "Göttinnen von Otera" reichlich Vorschusslorbeeren mit auf den Weg, spart die Autorin doch nicht an drängenden gesellschaftspolitischen Themen: Diskriminierung aufgrund von Herkunft und Hautfarbe; Männer, die über Frauen herrschen; Mädchen, die allmählich begreifen, dass sie an ihrer eigenen Unterdrückung nicht länger mitwirken dürfen, indem sie sich unterwerfen und an schädliche Schönheitsideale klammern.
So weit, so ambitioniert. Aber es geht in diesem Buch so gar nicht auf! Wer sich ein wenig im Netz auf Webseiten von und für junge Fantasy-Leserinnen und -Leser umschaut, wird viele verhaltene Reaktionen finden. "Tolles Cover", heißt es da oft, "aber die Geschichte hat mich nicht erreicht, die Figuren blieben blass, ich konnte mir auch das Land nicht richtig vorstellen".

Es reicht nicht, Augen funkeln zu lassen

Tatsächlich hätte es dem Buch gutgetan, wenn die Autorin, anstatt schreibverliebt Seite um Seite zu füllen, ihre Geschichte gründlicher durchdacht und komponiert hätte. Es reicht eben nicht, wie im Groschenheftchen inflationär Augen funkeln, Wangen erröten und Zornesfalten beben zu lassen, um eine komplexe Erfahrung wie das Erleben von Ausgrenzung literarisch zu erfassen.
Es mag unfair sein, diese Fantasy-Geschichte mit dem harten Realismus eines preisgekrönten Jugendbuches wie "The hate u give" zu vergleichen. Dennoch: Wo immer Literatur Identifikationsfiguren schafft, muss sie sich schon die Mühe machen, deren Erleben und Entwicklung einigermaßen vielschichtig in Szene zu setzen. Ein Roman, der diese Voraussetzung nicht erfüllt, kann in der Liga des aufklärenden Jugendbuches dann eben doch nicht mitspielen.

Realitätsenthobene Fantasie

Vollends ärgerlich wird es, wenn der Verlag dem Buch ein "westafrikanisches Setting" attestiert, während auf den gedruckten Seiten davon nichts zu finden ist. Otera liegt da, wo auch Neverland und Mittelerde liegen – im Reich der realitätsenthobenen Fantasie.
Werbung und Buchgestaltung setzen gleichwohl auf Ethno-Exotik: Man mag es gar nicht hinschreiben, aber auf dem Cover prangt tatsächlich ein Zebra-Muster. So lässt sich eine ernsthafte Auseinandersetzung junger Menschen mit Rassismus nicht katalysieren.

Namina Forna: "Die Göttinnen von Otera. Golden wie Blut"
Übersetzung von Bea Reiter
Loewe Verlag, Bindlach 2020
512 Seiten, 19,95 Euro

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