Namensketten als Forschungsobjekt

"Das hat was mit Selbstliebe zu tun"

Eine Halskette mit einem Anhänger, mit dem Wort "Thorough"
Das Wort "thorough": Selbstbeschreibung und Schmuckstück zugleich? © Azikiwe Mohammed
Von Katja Bigalke · 07.03.2018
Warum tragen so viele ihren eigenen Namen oder Bezeichnungen wie "Daddys liebstes Girl" als Schmuck um den Hals? Der Trend sagt mehr über uns aus, als man denkt, meinen Anthropologin Marcel Rosa-Salas und Autorin Isabel Flower. Sie haben das Projekt "Documenting the Nameplate" gestartet.
Menschen tragen Nameplates mit ihrem eigenen Namen drauf, wie zum Beispiel die Modejournalistin Gesine Kühne. Für sie hat es das etwas " mit Zuneigung zu tun". Es sei etwas "Schönes, zum Pampern". Und: "Das hat was mit Selbstliebe zu tun, ganz selbstbewusst seinen Namen durch die Gegend zu tragen."
Die Anthropologin Marcel Rosa-Salas liebt es auch, Adjektive in ihren Schmuck pressen zu lassen. So wie das Wort "gründlich" oder das Wort auf ihren Bambus-Style-Gold-Ohrringen: "Nachdenklich" steht da drauf. "Mein liebstes Wort und damit identifiziere ich mich wirklich."

Dann gibt es die, die die Namen ihrer Liebsten um den Hals trage, so wie damals "Modern Talking"-Sänger Thomas Anders seine Nora. Oder den Namen des Babys oder der Tochter oder einfach nur: Engel. Das kann auch sein, was du für andere bedeutest, so was wie "Mom" oder "Baby" oder "Daddys liebstes Girl".
Thomas Anders, der Sänger des Popduos Modern Talking nimmt am 18.5.1986 mit seiner Ehefrau Nora an der Geburtstagsfeier von T. Gottschalk in München teil. Anders trägt eine Kette mit dem Namen seiner Frau.
Schmuck als Liebesbeweis: "Modern Talking"-Sänger Thomas Anders mit seiner Frau Nora.© dpa
Es sei immer etwas Identitätsstiftendes, meinen die New Yorker Anthropologin Marcel Rosa-Salas und die Kulturjournalistin Isabel Flower. "Wie bei jeder Form des Self-Stylings: eine Deklaration von Subjektivität." Deswegen finden die beiden Nameplates auch so spannend. Weil sie etwas erzählen über Identifikationen, Gruppenzugehörigkeiten und Selbstinszenierungen. Und deshalb lassen sie sich für ihr Projekt "Documenting the Nameplates" auch Bilder und Geschichten von Namensketten-Trägerinnen und -Trägern aus der ganzen Welt zuschicken. So soll ein Archiv dieser Schmuckstücke entstehen.
"Ich glaube, alle diese täglichen Objekte, die wir am Körper tragen, die wir normalisieren, die sollte man studieren, weil sie oft so Schlüsselmomente beschreiben: zum Beispiel zu diesem Coming-of-Age-Moment, zu dem sich viele Menschen ein Nameplate zulegen."
Marcel und Isabel wollen mit ihrem Archiv die Bedeutung von Nameplates aus dem aktuellen Modekontext befreien und stattdessen die unterschiedlichen Traditionen dokumentieren.
Eine Frau hält ihre Kette mit einem Anhänger, auf dem "Bubs" steht, in die Kamera.
Nameplates als Schmuck, vor allem aber als Statement.© Naima Green
In den USA etwa gehen die Ursprünge der Namensketten auf die späten 80er- und 90er-Jahre zurück.
"Das ist ein spezieller Style an Nameplates, die mit Communities of Color in den Großstädten assoziiert wird. Man denke an die Hip-Hop-Kultur, Spike Lee und die diese Love-and-Hate-Ringe. Diese ganze Hip-Hop-Ästhetik mit dicken Ketten und Ringen. Dieser Syle wurde in den ärmeren Communities geprägt. Daher kam dann auch schnell diese Assoziation, dass das nicht elegant sei und zu shiny."

Von der "Ghetto-Assoziation" zum Mainstream

Bis Carrie Bradshaw in "Sex and the City" mit einer Namenskette auftauchte und den Nameplate jegliche "Ghetto-Assoziation" austrieb. In den Nuller-Jahren wurde aus der Nameplate die "Carrie-Necklace" und jeder wollte sie haben – auch Modejournalistin Gesine Kühne: Irgendwann Anfang der 2000er, "da hab ich das bekommen, das war die Hochzeit von 'Sex and the City'".
Marcel und Isabel nennen den Vorgang des Übernehmens der Ästhetik einer bestimmten Community durch den Mainstream kulturelle Aneignung.
"Das beschreibt die Art und Weise, wie sich kulturelle Inhalte in Gesellschaften bewegen. Das Nameplate zeigt sehr anschaulich, wie ein Teil der kulturellen Geschichte absorbiert wird in eine Erzählung der weißen Mittelschicht. Und wie auf eine Art die Vorgeschichte entfernt und in eine neue Erzählung integriert wird."

Livestyle-Bloggerin Vreni Frost hat dementsprechend das Ghetto und "Sex and the City" längst hinter sich gelassen. Sie steht auf die ironischen Namenplates, die gerade sehr en vogue sind und die man auch ohne Juweliertermin von der Stange kaufen kann "Ich habe ein goldenes Nameplate da steht in goldener Farbe bla bla bla drauf", erzählt sie. In der Modebranche, wo vieles aufgebauscht werde, sei das "die passende Ironie".
Für die Zukunft hat Vreni Frost noch einen weiteren Wunsch: "Ich hätte gerne ein Plate, wo drauf steht: Rabattcode. Als 'so called' Influencerin wäre das witzig."
Frau zeigt ihren Halsketten-Angänger, auf dem der Name Barbara steht.
In den Nuller-Jahren kamen Nameplates in Mode - nun erleben sie ein Revival.© Naima Green
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