Najem Wali über den "arabischen Booker-Preis"

"Die ausgezeichneten Bücher sind nicht kritisch"

Auf der internationalen Buchmesse in Abu Dhabi gucken sich zwei Frauen Bücher an.
Besucher auf der Buchmesse in Abu Dhabi: Der wichtigste Belletristikpreis der arabischen Welt, finanziert von Abu Dhabi, lenke die Interessen der Leser und Schriftsteller, sagt Najem Wali. © imago/Xinhua
Moderation: Frank Meyer · 25.04.2018
Der International Prize for Arabic Fiction, der wichtigste Belletristikpreis in der arabischen Welt, wurde verliehen. Der irakisch-deutsche Autor Najem Wali sieht ihn kritisch. Er fördere unpolitische Literatur, die verfasst werde, um das Preisgeld zu erhalten.
Frank Meyer: Gestern Abend wurde der International Prize for Arabic Fiction vergeben, das ist der wichtigste Belletristikpreis in der arabischen Welt - arabischer Booker-Preis wird er auch öfter genannt, wie der bedeutende britische Literaturpreis -, und wir sprechen über diesen Preis mit Najem Wali. Der irakisch-deutsche Autor ist gerade im Künstlerhaus Villa Concordia in Bamberg, und dort haben wir ihn ans Telefon gekriegt. Guten Tag, Herr Wali!
Najem Wali: Guten Tag, Herr Meyer!
Meyer: Der Gewinner des Preises, der heißt Ibrahim Nasrallah, das ist ein Autor aus einer palästinensischen Familie, er lebt in Jordanien. "The Second War of the Dog", so ist der englische Titel des Buches. Können Sie uns über dieses Buch etwas sagen?
Wali: Ja, das ist ein an sich sehr politisches Buch, das über die Verwandlung von linken Intellektuellen et cetera oder alten Kämpfern erzählt, dass sie Teil des despotischen Regimes geworden sind.
Meyer: Und dieser Autor, Ibrahim Nasrallah, was hat er vorher veröffentlicht, was für ein Autor ist das?
Wali: Er hat viele Romane geschrieben. Ich glaube, er ist Anfang der 40er geboren, und er lebt in Jordanien. Er ist der Chef von einer Institution, die heißt Shoman Foundation. Das ist ein Bankier, auch palästinensischer Bankier, der eine Institution hat, Kulturzentrum in Amman, und er leitet diese Institution.

Preis wird finanziert von Abu Dhabi

Meyer: Und wenn man jetzt in der arabischsprachigen Welt diesen Literaturpreis bekommt, was für eine Wirkung hat denn dieser Preis für ein Buch, für einen Autor, kann der Preis Bestseller produzieren?
Wali: Ja, dieser Preis existiert seit zehn Jahren und hat auch eine Tradition jetzt verankert, dass Leute auf den Buchmessen nach der Longlist gehen müssen und Bücher kaufen. Der Preis hat eine bestimmte Richtung Bücher zu lesen, durchgesetzt.
Der Schriftsteller Najem Wali im Studio von Deutschlandradio Kultur
Der Schriftsteller Najem Wali sieht den International Prize for Arabic Fiction kritisch.© Deutschlandradio / Annette Bräunlein
Meyer: Und was für eine Richtung ist das, können Sie das beschreiben?
Wali: Ja, da müssen wir erst mal gucken, wer finanziert diesen Preis und wieso. Dieser Preis ist finanziert von Abu Dhabi Department of Culture and Tourism. Und wenn ich einen Preis finanziere, dann bestimme ich natürlich auch, in welche Richtung der Preis geht. Wir müssen wissen, dass wir alle unter dem Petrodollar-Einfluss leiden und welchen Schaden er für unsere Kultur – die der Golfländer und so - gebracht hat. Und seit Jahren wird jedes Jahr ein Filmpreis, ein Gedichtpreis, einen Romanpreis in Abu Dhabi vergeben, und denken Sie mal bitte daran, dass wenn man einen Kinopreis vergibt und es keine Kinos gibt und man einen Romanpreis vergibt und da gibt es keine einheimischen Romancier. Daher ist man skeptisch, man guckt diesen Preis sehr skeptisch an, weil es läuft, man wählte eine bestimmte Richtung von Büchern, und nach diesen Büchern werden die Leser ihre Bücher aussuchen.

"Heutzutage kann man nicht mehr kritisieren"

Meyer: Aber was ist das Problematische an dieser Richtung der Bücher, die da ausgezeichnet werden? Würden Sie sagen, das sind eher unterhaltende Bücher, die von der kritischen Reflexion ablenken, oder was finden Sie problematisch daran?
Wali: Problematisch, weil die nicht kritisch sind. Schauen Sie mal, bis vor Jahren war die ganze arabische Kultur, Literatur, die Presse, hatte eine bisschen kritische Meinung, was da in Saudi-Arabien läuft oder in Katar oder in den Golfländern. Heutzutage kann man nicht mehr kritisieren, da gibt es keinen Platz für Reflexionen, Kritik. Man kann über alles schreiben, aber man kann zum Beispiel niemals die Macht in Saudi-Arabien infrage stellen oder in den Golfländern. Das meine ich. Diese Preise haben eine Art von Literatur gebracht, dass Leute Romane schreiben, Gedichte schreiben, damit man den Preis gewinnt, weil der Preis ist dotiert mit einer deftigen Summe. Und das ist nicht schön, meine ich.
Meyer: Also Sie würden eher davon abraten, die mit diesem Preis ausgezeichneten Bücher zu lesen?
Wali: Ich werde Folgendes sagen: Jedes Jahr, wenn der Preis verkündet wird, danach fragen mich auch deutsche Verlage, und ich halte mich wirklich raus aus dieser Geschichte, aber nachher geben sie diese Bücher zu Gutachtern, und die Gutachter sagen ihre Meinung. Schauen Sie mal, das ist jetzt zehn Jahre her, aber dieser Preis hat auf die Übersetzungen im deutschen Raum nicht viel gebracht. Deshalb, die meisten Romane, die auf Deutsch übersetzt werden, haben mit dem Preis nichts zu tun.
Meyer: Das sagt Najem Wali. Wir haben mit ihm gesprochen über den International Prize for Arabic Fiction. Ibrahim Nasrallah wurde ausgezeichnet für sein Buch "The Second War of the Dog". Najem Wali, dazu muss man auch sagen, sein jüngstes Buch ist ein Bestseller in der arabischen Welt, "Saras Stunde" heißt dieses Buch, und Sie finden ein Gespräch mit Najem Wali über diesen Roman auf unserer Homepage deutschlandfunkkultur.de. Herr Wali, vielen Dank für dieses Gespräch!
Wali: Danke, Herr Meyer, danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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