Nachruf

    "Atemholen für irgendwann"

    Der Verleger Wolf Jobst Siedler bei der Frankfurter Buchmesse 1996
    Wolf Jobst Siedler prägte den intellektuellen Wiederaufbau im Nachkriegsdeutschland. © dpa / Erwin Elsner
    28.11.2013
    In Berlin war er Zeit seines Lebens zu Hause und prägte überwiegend auch von dort als Verleger und Publizist den intellektuellen Wiederaufbau Deutschlands.
    Wolf Jobst Siedler gehörte zu den bedeutendsten Verlegerpersönlichkeiten der Nachkriegszeit. Richard von Weizsäcker sagte über ihn, "ein Verleger, der seine Autoren immer wieder in Verlegenheit bringt, weil er zumeist besser schreibt als sie."
    1947 kehrte Siedler mit Anfang 20 aus der Kriegsgefangenschaft in seine Heimatstadt Berlin zurück, die er zerstört vorfand – ausgebrannt, mit rauchgeschwärzten Fassaden. Nach seinem Studium der Soziologie, Geschichte, Philosophie und Germanistik arbeitete er als Journalist und stieg bereits 1955 zum Feuilletonchef des Berliner "Tagesspiegel" auf. Fast 20 Jahre lang leitete Wolf Jobst Siedler die Verlage Ullstein und Propyläen. Bis 1998 führte er den 1980 von ihm selbst und Filmemacher Jochen Severin gegründeten Verlag "Severin und Siedler". Mittlerweile ist der Siedler-Verlag bei der Verlagsgruppe Random House in München angesiedelt.

    Siedler fühlte sich beim Sachbuch zu Hause

    Nicht auf die große Belletristik, sondern auf Sachbücher zu politischen, historischen, gesellschaftlichen, kulturellen und naturwissenschaftlichen Themen legte Wolf Jobst Siedler den Fokus. Er fragte sich, "ob wir wirklich in einer Epoche großer geistig-künstlerischer Produktivität leben oder ob wir nicht sozusagen atemholen für irgendwann. Denn ich glaube, im Bereich der Philosophie, der Geschichte, der Geistesgeschichte, auch der Theologie, dort sind wir auf der Höhe, da fühle ich mich zu Hause und so habe ich mein Programm nach der Einschätzung der Epoche und den eigenen Möglichkeiten ausgerichtet."
    Die Gesamtausgabe des Nachlasses von Konrad Adenauer in zehn Bänden erschien im Siedler Verlag, ebenso wie die Memoiren von Michail Gorbatschow, Richard von Weizsäcker, Helmut Schmidt und Franz Josef Strauß. Siedlers eigenen Memoiren erschienen in den Jahren 2000 und 2004 in zwei Bänden. Sein 1993 erschienenes Buch "Die gemordete Stadt: Abgesang auf Putte und Straße, Platz und Baum" von 1964 gilt als Klassiker auf dem Gebiet der modernen Architektur. Darin übte Siedler Kritik an den Bausünden im westlichen Nachkriegs-Berlin.
    Nicht ein Sachbuch, sondern ein Roman – "Möwe Jonathan" von Richard Bach aus dem Jahr 1972 – war allerdings das ökonomisch erfolgreichste Buch seiner Verlegerkarriere. Internationale Bestseller erschienen auch im Propyläen-Verlag unter seiner Leitung: zum Beispiel die Hitler-Biografie des Publizisten Joachim Fest sowie die Tagebücher von Hitlers Baumeister und Rüstungsminister Albert Speer.

    Wolf Jobst Siedler war verheiratet und hatte zwei Kinder. Er lebte in Berlin-Dahlem. Sein Sohn Wolf Jobst Siedler junior leitet dort den WJS Verlag.

    Nach langer Krankheit starb Siedler am Mittwoch im Kreise seiner Angehörigen.

    bre mit dpa
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