Wie sexistisch ist der deutsche Theaterbetrieb?
Die sexuellen Übergriffe des Produzenten Harvey Weinstein sollen in Hollywood ein offenes Geheimnis gewesen sein – gedeckt vom Geflecht der mächtigen Männer. Wie ist es um die hiesige Kulturszene bestellt? Regisseur Christopher Rüping über Sexismus im deutschen Theaterbetrieb.
"Ich wette, dass es im dt. Stadt- und Staatstheaterbusiness eine ähnlich hohe Dunkelziffer an sexuellen Übergriffen gibt wie in Hollywood", twitterte heute der Theaterregisseur Christopher Rüping anlässlich des Falls Weinstein.
Täglich kommen neue Enthüllungen ans Licht, wie viele Frauen der Hollywood-Filmproduzent sexuell belästigt, genötigt oder sogar vergewaltigt haben soll. Pikant an dem Fall ist, dass Weinsteins Verhalten ein offenes Gehemnis gewesen sein soll – vom Geflecht mächtiger Männer in Hollywood lange gedeckt.
Gibt es solche offenen Gehemnisse auch im deutschen Theaterbetrieb? Kann man die Situationen wirklich vergleichen? Darüber sprachen wir mit Christopher Rüping, Regisseur an den Münchner Kammerspielen.
Gewissheit habe er nicht, sagt Rüping, zumal er als Regisseur und als Mann tendenziell in der Position desjenigen sei, der sich fragen müsse, ob er selber sexistisch sei. Es handele sich bei seiner Aussage daher eher um eine Befürchtung.
Der Theaterbetrieb ist feudal organisiert
Auch am Theater gebe es entsprechende Legenden, erzählt der Regisseur, er selber sei aber nie Zeuge von Vorfällen sexueller Gewalt geworden. Bei Bewerbungen sei es jedoch gängige Praxis, dass die Einsendungen der Frauen nach Haarfarben sortiert würden oder explizit nach Schauspielerinnen mit "Tits and Ass" gesucht werde. Dies sei ein Faktor, den Hollywood und der deutsche Theaterbetrieb gemein hätten. Auch die strengen hierarchischen Strukturen im Theater seien problematisch.
"Der Theaterbetrieb ist ja fast noch ein bisschen feudal organisiert, es gibt eindeutige Machtdispositionen, es gibt wenige regulierende Gremien. Das hat auch einen Sinn. Das ist nicht nur schlecht, weil es natürlich auch immer darum geht, eine persönliche und in dieser Persönlichkeit eine möglichst radikal und Grenzen des bestehenden Denkens einreißende Lesart eines Stoffes zu finden, aber natürlich machen es genau diese Strukturen natürlich schwer, ein Forum zu stellen, in dem Betroffene, die zum Beispiel übergriffig behandelt wurden oder die sich vielleicht selber gar nicht sicher sind, ob das, was sie gerade auf der Probe erlebt haben, ob das jetzt noch im Rahmen des Erwartbaren, Möglichen und Notwendigen war oder schon längst darüber hinaus ging. Es gibt wenig Gremien oder wenig Stellen, an denen man das offen diskutieren könnte", sagte Rüping.