Nach Friedrichs Rücktritt

"Merkel in der Pflicht aufzuklären"

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter © picture-alliance / dpa / Sven Hoppe
Anton Hofreiter im Gespräch mit Julius Stucke · 15.02.2014
Grünen-Fraktionsvorsitzender Anton Hofreiter fordert die Bundeskanzlerin auf, für Aufklärung in der Edathy-Affäre zu sorgen. Den Rücktritt des früheren Bundesinnenministers Hans-Peter Friedrichs als Landwirtschaftsminister kommentiert er als "einzig mögliche Entscheidung".
Julius Stucke: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Da rechnet man mit einem ruhigen Start ins Wochenende, aber weit gefehlt – am Nachmittag knallte es dann doch, und Hans-Peter Friedrich, Landwirtschaftsminister, trat zurück. Er wusste im vergangenen Herbst – da war er noch Innenminister – von Ermittlungen gegen den SPD-Politiker Sebastian Edathy, und dieses Wissen gab er an die SPD-Spitze weiter. Was kam raus? Der Druck auf ihn wuchs, schnell, und in einer ziemlich kurzen Erklärung ist er gestern zurückgetreten. Ist es damit heute schon vorbei? Für ihn erst mal ja, für die Opposition erfahrungsgemäß nicht, die bohrte weiter. Anton Hofreiter, Vorsitzender der grünen Bundestagsfraktion, guten Morgen!
Anton Hofreiter: Guten Morgen!
Stucke: Ihre Meinung: Der Rücktritt, war das die einzige richtige, die einzig mögliche Entscheidung von Friedrich?
Hofreiter: Es war letztendlich die einzig mögliche Entscheidung, denn er war vorher Innenminister. Das Innenministerium ist ein sogenanntes Verfassungsministerium, da müssen Sie ganz, ganz genau darauf achten, dass sie sehr, sehr exakt entscheiden. Und wenn Sie Innenminister sind, dann können Sie nicht – selbst wenn es Ihnen politisch noch so opportun erscheint – einfach das Plaudern anfangen.
Stucke: Nun hat Friedrich selber allerdings zu seinem Rücktritt gesagt, er habe keine Fehler gemacht, weder politisch noch rechtlich. Wie sehen Sie das?
Hofreiter: Also er hat auf alle Fälle politisch einen Fehler gemacht, denn als Innenminister darf man nicht Informationen von laufenden Ermittlungen weitergeben in so einem Fall. Und rechtlich hat er unter Umständen auch einen Fehler gemacht, weil er entweder Privatsphäre verletzt hat oder Amtsgeheimnisse ausgeplaudert hat oder ein laufendes Ermittlungsverfahren gefährdet hat, also da muss man noch mal genauer schauen, wie die rechtliche Lage war, aber es war weder politisch noch rechtlich richtig.
Stucke: Und können Sie es denn zumindest menschlich aus der Situation heraus nachvollziehen? Es waren Koalitionsverhandlungen, er wollte nicht, dass die SPD eine Personalentscheidung trifft, die sie dann später bereuen muss, dass man so was einfach mal schnell sagt?
"Er ist ja immerhin Jurist"
Hofreiter: Na ja, so was ist als Motiv nachvollziehbar. Aber eben, wenn man Innenminister ist, ist es eben genau das, was man nicht tun darf. Deswegen, als Innenminister darf man halt nicht das Plaudern anfangen, als Innenminister darf man halt nicht sagen, oh, da kann was schwierig werden, ob man das jetzt rechtlich so genau handhaben muss, das darf ich eben als Innenminister genau nicht machen. Und er ist ja immerhin Jurist.
Stucke: Er ist Jurist, und jetzt ist er zurückgetreten. Ist es damit politisch geklärt?
Hofreiter: Na ja, für Herrn Friedrich ist es politisch geklärt. Der ganze Vorgang ist natürlich insgesamt nicht politisch geklärt, denn die SPD hat es untereinander weitergegeben. Da muss erst mal geklärt werden, was soll das Ganze überhaupt. Also da ist im Grunde Frau Merkel in der Pflicht aufzuklären, wie die Informationswege bei heiklen Geschichten funktionieren. Denken Sie allein an die heftige Auseinandersetzung zwischen BKA-Präsidenten und Herrn Oppermann.
Stucke: Nun ist es aber ja noch nicht ganz klar, ob und wie die Informationen dann in der SPD oder überhaupt aus der SPD rausgeflossen sind, oder?
Hofreiter: Ganz genau, das ist eben dringend aufzuklären von der SPD und insbesondere von Frau Merkel, denn es ist jetzt ja ihre Bundesregierung. Immerhin ist sie Kanzlerin und damit Chefin der Bundesregierung. Deshalb ist zu klären, welchen Weg haben die Informationen genommen, was haben die Informationen bedeutet und welchen Weg haben die insgesamt in den Sicherheitsbehörden genommen? Mir ist zum Beispiel auch nicht einsichtig, wie manche sagen, dass das vom BKA in alle 16 Landeskriminalämter geflossen ist.
Stucke: Aber ist das nicht vielleicht auch ein Lerneffekt gewesen aus dem ganzen Skandal rund um NSU, wir wollen uns gegenseitig informieren?
Hofreiter: Na ja, es macht einen Unterschied, ob man sich gegenseitig informiert, was im Bereich des Rechtsterrorismus passiert, oder ob man die Informationen, dass gegen einen Politiker unter Umständen in Kürze ermittelt wird – also auch, wenn nicht ermittelt wird –, dass man diese Informationen mit allen möglichen Menschen teilt. Also ich glaube, das sollte man sauber unterscheiden.
Stucke: Sie sagen also, politisch ist da noch viel zu klären. Es sieht ja zumindest so aus oder es heißt zumindest so, als wäre von den vielen oder unter den vielen, die informiert waren über diesen Fall, die Kanzlerin nicht dabei. Nehmen Sie ihr das denn ab?
"Man sollte es nicht naiv glauben"
Hofreiter: Man sollte erst mal immer den Leuten glauben, wenn sie etwas sagen, aber man sollte es nicht naiv glauben. Und Frau Merkel geht's jetzt erst mal gar nicht um die Frage, ob Frau Merkel informiert war oder nicht, sondern als Regierungschefin hat sie die Pflicht, dafür zu sorgen, dass – ja nicht mal der Vorgang ist zumindest sehr, sehr seltsam – dass solche Vorgänge innerhalb ihrer Regierung aufgeklärt werden.
Stucke: Viel aufklären, viel aufklären, viel aufklären, aber so eine richtig konkrete Forderung höre ich da bei Ihnen auch noch nicht raus.
Hofreiter: Na ja, die konkrete Forderung, solange man nicht weiß, wie genau die Informationswege gelaufen sind, ist halt erst mal, immer aufklären, denn es ist ja auch – Herr Friedrich ist jetzt zurückgetreten – nicht der Zeitpunkt, wo man sagt, das muss sich jetzt ändern, der muss zurücktreten. Ich meine, einige Dinge sind klar: Man darf keine Informationen aus laufenden Ermittlungsverfahren weitergeben. Auch Herr Gabriel muss sich fragen, wieso er die Informationen sofort mit allen möglichen weiteren Menschen geteilt hat. Im Grunde ist in so einem Fall das Beste, was man machen kann, nach allem, was man weiß, dass man sehr, sehr zurückhaltend mit den Informationen umgeht, um die Ermittlungen nicht zu gefährden. Aber es stellen sich fix auch Fragen an die Staatsanwaltschaft und so weiter und so fort. Deshalb, solange alles so unklar ist wie im Moment, ist das Wichtigste, man muss erst mal wissen, was genau passiert ist.
Stucke: Kritisieren Sie denn, dass die Staatsanwaltschaft da jetzt auch Informationen in dem Fall, der ja eigentlich davorstand, nämlich der Fall Edathy, so klar gestern an die Presse gegeben hat?
"Es war nahezu alles bereits in der Presse"
Hofreiter: Na ja, es war ja nahezu eh alles bereits in der Presse, aber es ist ja schon verwunderlich. Allein die Tatsache, dass sich zum Beispiel der Rechtsanwalt von Herrn Edathy im November an die Staatsanwaltschaft gewandt hat und dann das Begehren, die Immunität von Herrn Edathy aufzuheben, ist erst am 6. Februar eingetroffen. Dann gab es da wiederum seltsame Verzögerungen in der Bundestagsverwaltung. Also da ist manches – um es vorsichtig auszudrücken – verwunderlich. Aber das Entscheidende, was jetzt im politischen Bereich aufzuklären ist, wie ist mit den Informationen umgegangen worden, nachdem Herr Friedrich sie weitergegeben hat.
Stucke: Manches ist verwunderlich … Verwunderlich fand ich persönlich den letzten Satz von Friedrich beim Rücktritt: "Ich komme wieder", hat er gesagt, glauben Sie das?
Hofreiter: Ja, das hat mich auch sehr verwundert, wie ich das gelesen habe: Ich komme wieder. In der Regel kommt man nach solchen Fällen eher nicht wieder.
Stucke: Sagt Anton Hofreiter, Vorsitzender der grünen Bundestagsfraktion. Ich danke Ihnen und einen schönen Tag!
Hofreiter: Ja, danke, Ihnen auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema