Edathy-Affäre

FDP-Innenexperte plädiert für Sonderermittler

15.02.2014
Nach Einschätzung des früheren NRW-Innenministers Burkhard Hirsch (FDP) hat der zurückgetretene Hans-Peter Friedrich "rechtlich eine Straftat" begangen. Nun müsse für "totale Klarheit und Offenheit" gesorgt werden.
Julius Stucke: Ich fühlte mich da gestern ein bisschen an Arnold Schwarzenegger und den "Terminator" erinnert: I'll be back, ich komme wieder – kam in diesem Fall aber von Hans-Peter Friedrich. Ich komme wieder, hat er gesagt. Erst mal aber ist er weg, zurückgetreten, gestolpert im Fall des SPD-Politikers Sebastian Edathy, gestolpert, weil Friedrich von den Ermittlungen gegen Edathy wusste und dieses Wissen an die SPD weitergab. Nun, um im Bild zu bleiben, so viel Gewalt wie beim "Terminator" gab es gestern nicht, aber immerhin ziemlich viel Druck, zu viel, und zu wenig politischen Rückhalt, dass er gehen müsse - aber nicht, weil er rechtlich etwas falsch gemacht hätte.
O-Ton Hans-Peter Friedrich: Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass ich im Oktober politisch und rechtlich richtig gehandelt habe, als ich den SPD-Vorsitzenden Gabriel informiert habe.
Stucke: Kann man das so sehen? Darüber will ich mit einem Juristen sprechen, der ist aber auch Bürgerrechtler und FDP-Politiker: Burkhard Hirsch, guten Morgen!
Burkhard Hirsch: Einen schönen guten Morgen!
Stucke: Ja, Friedrich ist überzeugt, rechtlich und politisch ganz sauber gehandelt zu haben. Kann das sein?
Hirsch: Nein, das ist natürlich falsch. Er hat ja nicht nur einen Fehler begangen, einen politischen Fehler, sondern er hat eine Straftat begangen. Ein Innenminister, der ein Geheimnis nicht bewahrt, sondern an Privatleute, die also keine öffentliche Funktion haben in dem Augenblick, weitergibt, der darf ja nicht damit rechnen, dass seine Mitarbeiter selber dann irgendwelche Geheimnisse mal wahren. Nein, das war rechtlich eine Straftat, und dass er zurückgetreten ist, war für meine Begriffe völlig unvermeidbar.
"Es ist erstaunlich, was man sich gegenseitig zutraut"
Stucke: Nun gibt es den Verfassungsrechtler Joachim Wieland, der gesagt hat, es sei genau anders herum, er hätte es sogar sagen müssen, hat er in der ARD gesagt. Und hat da auf den Artikel 38 des Grundgesetzes verwiesen, wonach eben Sigmar Gabriel als Bundestagsabgeordneter das Recht hätte, über so was informiert zu werden.
Hirsch: Nein, er hat ja Herrn Gabriel nicht als Abgeordneten informiert, sondern als einen Verhandlungspartner in einer Koalitionsverhandlung, und das ist eine Verhandlung von Parteien. Das heißt, Herr Gabriel hat in diesem Zeitpunkt keine wirkliche offizielle Funktion im Rahmen von Koalitionsverhandlungen eingenommen. Der Innenminister hätte zum Beispiel die Bundeskanzlerin unterrichten können, das wäre vertretbarer gewesen, aber nicht nach außen hin. Denn er erweckt ja damit einen noch viel schlimmeren Verdacht, nämlich der Durchstecherei, dass also der eigentlich Betroffene, Herr Edathy, dass der nun gewarnt worden wäre, und das ist …
Der jetzige Hintergrund dieser ganzen Geschichte, dass man sagt, es ist ja eigentlich nicht nur erstaunlich, was da gemacht worden ist, sondern es ist erstaunlich, was man sich gegenseitig zutraut. Der Amtsrichter in Hannover und die Staatsanwaltschaft nehmen an, dass Herr Edathy möglicherweise ein Pädophiler ist, obwohl sie dafür keine Tatsachen in der Hand haben. Und im Bundestag nimmt man an, dass die Sozialdemokraten ihren Parteifreund gewarnt haben, also eine Strafvereitelung begangen haben, obwohl auch dafür Tatsachen nicht auf dem Tisch liegen.
Das ist das, was mich im Grunde genommen am meisten beunruhigt, nicht nur, dass der Innenminister einen Fehler gemacht hat, für den er büßt, sondern was man sich politisch gegenseitig zutraut, was der andere möglicherweise getan hat. Das zeigt, wie dünn das Ansehen ist, das die handelnden Politiker in der Öffentlichkeit haben und sich gegenseitig zutrauen.
Stucke: Wie lässt sich da denn was dran ändern?
Hirsch: Im konkreten Fall eigentlich nur, dass man so schnell wie möglich für totale Klarheit und Offenheit sorgt, also keine Eiertänze, was machen wir, einen Untersuchungsausschuss, der wer weiß, wie lang das dauert. Da muss im Innenausschuss Tacheles geredet werden. Und man kann auch durchaus überlegen, dass man – wie das in anderen Fällen schon mal gewesen ist - einen Sonderermittler einsetzt, dem gegenüber alle Beteiligten verpflichtet werden, Klartext zu reden, der volle Akteneinsicht hat, um möglichst schnell herauszukriegen, was war eigentlich. Und dieser Sonderermittler müsste jemand sein, der allgemeines politisches Ansehen genießt und dem man nicht vorhalten kann, dass er die Interessen einer Partei wahrnimmt.
"Lösung des Problems ist, klarzustellen, was war und was nicht"
Stucke: Das klingt so, als hätten Sie schon einen im Kopf.
Hirsch: Also, ja, es gibt bestimmt Leute dieses Kalibers, nur wenn Sie jetzt einen nennen, dann wäre es ja damit erledigt. Der Gedanke liegt ja nahe. Ich glaube, dass die einzige Lösung des gegenseitigen Problems nicht die ist, dass man gegenseitig weiter mutmaßt, was der andere getan hat, und dass dieser Streit entlang den politischen Linien ausgetragen wird – jeder beschuldigt die andere Partei –, sondern dass man gemeinsam dafür sorgt, dass so schnell wie möglich mit öffentlicher Überzeugungskraft klargestellt wird, was war und was war eigentlich nicht.
Stucke: Sie haben ja gesagt, rechtlich ist es Ihrer Ansicht nach relativ klar, dass das rechtlich falsch war von Hans-Peter Friedrich …
Hirsch: Ja.
Stucke: Ist es denn rechtlich auch möglich, eventuell der SPD da noch was ans Bein zu heften?
Hirsch: Da muss man nun wirklich ganz vorsichtig sein, weil es dafür … Also es gibt ja Mutmaßungen, es wird ja unterstellt, dass Herr Edathy in irgendeiner Weise gewarnt worden ist. Das ist er wahrscheinlich auch, nur von wem, weiß man überhaupt nicht, sind ja offenbar sehr viele Leute gewesen, die von diesen Ermittlungen Kenntnis gehabt haben. Im Hintergrund steht die Unterstellung, dass eine Strafvereitelung begangen worden ist. Aber ich sage noch mal: Für diese Unterstellung gibt es – zurzeit jedenfalls – nicht den geringsten konkreten Anhaltspunkt. Und genauso wenig, wie man irgendeine konkrete Tatsache dafür hat anzunehmen, dass Herr Edathy sich wirklich strafbar gemacht hat. Auch für jede Strafvereitelung, dazu gehört ja immer das konkrete Vorliegen einer Straftat und das Wissen, dass man den Täter vor den Folgen bewahren will.
Stucke: Und das gibt es noch nicht.
Hirsch: Das kann man wirklich nach allem, was bisher bekannt ist, überhaupt nicht belegen.
Stucke: Der Fall Edathy und die rechtlichen Konsequenzen. Dazu Burkhard Hirsch, Jurist und Innenexperte der FDP. Ich danke Ihnen für's Gespräch!
Hirsch: Bitte schön, Wiederhören!
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