Nach dem "Spiegel"-Betrugsfall

Kann Deutschlandfunk Kultur Fälschungen verhindern?

Das Berliner Funkhaus von Deutschlandradio
Das Berliner Funkhaus von Deutschlandradio © Deutschlandradio © Markus Bollen
Sabine Adler und Eberhard Schade im Gespräch mit Axel Rahmlow · 20.12.2018
Der "Spiegel"-Reporter Claas Relotius erfand Teile seiner Reportagen. Angesichts dieses Falls fragen wir: Können unsere redaktionellen Abläufe verhindern, dass bei Deutschlandfunk Kultur ein ähnlicher Fall passiert?
Dass ein Fall wie der des Reporters Claas Relotius' sich bei Deutschlandfunk Kultur ereignen könne, hält Eberhard Schade, Redakteur der Sendung "Reportage", für weniger wahrscheinlich. Hier mache das Medium den Unterschied:
"Meine These ist, dass so etwas beim Radio und auch beim Fernsehen zumindest schwieriger ist, vor allem in dem Format Reportage, wo ich die Szenen, die sich da aneinanderreihen, auch höre und wo ich O-Töne, das bedeutet Originaltöne, mitbringe. Das ist schwer fälschbar."

Arbeitsabläufe, um Manipulation zu verhindern

Am Mittwoch hatte der "Spiegel" mitgeteilt, dass Relotius gestanden habe, Teile mehrerer Reportagen erfunden zu haben. Für seine Texte hatte der Journalist viele Preise gewonnen. Darunter der deutsche Reporterpreis sowie den CNN "Journalist of the Year"-Award. Die Reporterpreise hat Relotius inzwischen zurückgegeben, der CNN-Preis wurde ihm aberkannt. Unterdessen ermittelt der "Spiegel" noch, in wie vielen seiner Reportagen Fakten gefälscht und Protagonisten erfunden waren.
Radiobeiträge zu manipulieren sei "schwieriger, aber möglich", sagt Eberhard Schade. In der "Reportage"-Redaktion gebe es Abläufe, die verhindern sollen, dass Reporter in ihren Beiträgen falsche Fakten berichten:
"Bevor wir aus der Redaktion eine Autorin oder einen Autor für eine lange Geschichte ins Ausland schicken, haben wir ihn meistens auf der 'Kurzstrecke' probiert. Und da höre ich, was er oder sie beschreibt, ob es eine Text-Ton-Schere gibt. Der zweite Schritt ist: Wir klären im Gespräch mit den Reporterinnen und Reportern im Vorfeld, wie nah man einem Protagonisten kommen kann und ab welchem Punkt Schluss ist."
Es gebe Situationen, wo Gesprächspartner Reporter darum bitten, das Mikrofon auszuschalten, sagt Eberhard Schade: "Und selbst wenn an irgendeiner Stelle mal das Mikrofon ausgeschaltet wird, möchte ich hören: 'Hier muss das Mikrofon ausgeschaltet werden!' Aber ich höre, er oder sie war dort."
Die Leiterin des Deutschlandfunk-Kultur-Reporterpools, Sabine Adler, sagt, dass häufig alleine aus Zeitgründen Aussagen gekürzt werden müssten:
"Was sicher geht, ist, dass ich Aussagen ganz besonders nach oben ziehe, die mir wichtig sind, die vielleicht auch eine Arbeitsthese, mit der ich gestartet bin, belegen. Es ist dann in meiner Verantwortung, als Autorin dafür geradezustehen, dass ich dieser interviewten Person überhaupt noch gerecht werde. Ich muss fair bleiben."

Vorsicht bei der perfekten Geschichte

Der Reporter Claas Relotius habe in "großem Umfang seine eigenen Berichte gefälscht und Protagonisten erfunden", heißt es in einem Bericht auf Spiegel Online. Skeptisch wird Adler, wenn in einer Figur eines Beitrags alle Aspekte einer Geschichte vereint sind:
"Es ist ganz häufig so, dass ich bei Kollegen stutzig werde, wenn sie Personen porträtieren können, die die gesamte Dramatik einer Entwicklung also zum Beispiel Syrien – Aleppo – Kinder – Trümmer zusammenkommt. Wenn das alles in einer einzigen Person vereinigt ist, der perfekte Protagonist - das ist im realen Leben höchst selten der Fall."
Auch Schade sagt, dass es Momente gebe, in denen er zweifle: "Ich habe Angebote gehabt, wo die ganze Geschichte schon fix und fertig im Exposé stand, teilweise mit ausformulierten Szenen, obwohl der Reporter oder die Reporterin noch gar nicht vor Ort war, da werde ich misstrauisch."
(cosa)
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