Ralf Fücks über den Betrugsfall beim "Spiegel"

"Gefragt ist eine selbstkritische Prüfung"

"Der Spiegel" steht in großen Buchstaben aus Metall an einem Gebäude
Der Skandal um den preisgekrönten Reporter Claas Relotius erschüttert den Spiegel. © imago/blickwinkel
Moderation: Miriam Rossius · 20.12.2018
Gefälschte Zitate, erfundene Szenen: Claas Relotius konnte beim "Spiegel" schreiben, was er wollte. Was treibt einen Reporter zu solchem Betrug? Für Ralf Fücks vom Zentrum Liberale Moderne liegt der Fehler im System: Denn nur wer exzellent ist, wird prämiert.
Der "Spiegel" ist in die Offensive gegangen: Er hat den Betrugsfall im eigenen Haus offengelegt. Jahrelang blieben die Fälschungen in den Texten von Claas Relotius unentdeckt. Der Journalist, der früher auch für andere renommierte Verlage schrieb, wurde mit Preisen überhäuft. Wie der "Spiegel" jetzt den Skandal kommuniziert, findet Ralf Fücks kritikwürdig.
Porträt von Ralf Fücks, geschäftsführender Gesellschafter beim Zentrum Liberale Moderne
Ralf Fücks, geschäftsführender Gesellschafter beim Zentrum Liberale Moderne© dpa / picture-alliance / Klaus-Dietmar Gabbert

Ralf Fücks ist geschäftsführender Gesellschafter des Zentrums Liberale Moderne und war zuvor 21 Jahre lang Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Der Vor- und Querdenker sucht stets den parteiübergreifenden Diskurs. Vor seiner Zeit bei der Böll-Stiftung war er Co-Vorsitzender der Grünen (1989/90) und Senator für Umwelt und Stadtentwicklung in Bremen.

Der Direktor des Zentrums Liberale Moderne sagte im Deutschlandfunk Kultur: "Das ist clever, die Flucht nach vorne anzutreten. Man legt die Dinge offen, ist selbstkritisch, auch ein bisschen selbstzergrübelt: Wie konnte das passieren? Aber man macht daraus eine großartige Story." Stattdessen seien jetzt Fücks zufolge "ein bisschen Nüchternheit und selbstkritische Prüfung" gefragt. Es müsse nicht nur darum gehen, welche Kontrollmechanismen versagt hätten, sondern auch um die Frage: "Was treibt eigentlich junge Journalisten dazu, sich auf diesen Schwindel erregenden Pfad zu begeben, von dem sie ja irgendwann abstürzen müssen?"

"Es reicht nicht mal, sehr gut zu sein"

Fücks vermutet, dass es dabei sicher um Ruhm und Karriere gehe. Aber: "Es muss auch so etwas wie eine Kultur geben - das ist nicht auf den 'Spiegel' begrenzt - dass es eben nicht reicht, gut zu sein. Es reicht nicht mal, sehr gut zu sein. Man muss exzellent sein, man muss herausragend sein, und das wird prämiert. Und ich glaube, darin steckt eine große Verführung."
Dass sich Relotius künftig als cleverer Hochstapler vermarkten kann, glaubt Fücks nicht - oder nur unter einer Bedingung: "Wenn er sich entscheidet, Romanschriftsteller zu werden, dann ist das vielleicht ein Ausweg, so einen biografischen Roman zu schreiben. Der fände sicher viele Leserinnen und Leser." Der Reporter habe aber einen "furchtbaren Absturz" erlebt: "Man kann nur hoffen, dass es ein Netz gibt, das ihn jetzt auffängt."
(bth)

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