Mythos Marke Eigenbau

Von Michael Köhler |
Die Kruppsche Familiendynastie schmiedete in zwei Jahrhunderten nicht nur Stahl und Waffen, sondern auch fleißig am eigenen Mythos. Der ist nun in einer Sonderausstellung im Essener Ruhrmuseum Zollverein zu besichtigen.
Von Anfang an prägte der Wechsel von Idealisierung und Dämonisierung das Unternehmensbild. Das sagt Ruhrmuseumschef Theo Grütter:

"Der Mythos ist von Krupp selbst gepflegt und produziert worden. Also, der 'Kanonenkönig' und die Waffenschmiede sind Mythen, die Krupp brauchte, um ihre Waffen, ihre Produkte zu verkaufen. Am Ende sind sie ihrem Mythos selbst erlegen, weil sie mit Gefängnisstrafen und Haft dafür gebüßt haben."

Nicht so fanatisch wie sein Vater, aber abstandslos genug hatte Alfried Krupp von Bohlen und Halbach die Nähe zum NS-Regime gesucht. Reichsmarschall Göring erhielt 1940 ein Geschenk von Krupp, ein Schwert mit der Inschrift: dem Schmied des Vierjahresplanes. Gefolgschafts- und Dankadressen zwischen Albert Speer und Krupp wechselten sich ab.

"Wir zeigen natürlich auch die Geschichte der Firma im NS mit wichtigen Dokumenten, auch mit wichtigen Filmausschnitten, die auch die Besuche Adolf Hitlers hier in Essen bei Krupp zeigen und auch seien berühmte Rede mit dem Zitat 'Hart wie Kruppstahl', also wir verschweigen nichts."

Zwangsarbeiter und Kriegsindustrie, Bezwingung des Feuers und Rüstungsproduktion, all das zeigt die Ausstellung gründlich und nüchtern. Neu sind Zeugnisse über die frühe Verwendung von Fotografie und Film zur Selbstvermarktung. Krupp hatte eigene kinematografische Abteilungen und nutzte Fotografie auf den Weltausstellungen in London, Wien, Philadelphia, Chicago, um davon zu berichten.

"Die Familie Krupp war kulturaffin, stärker als man bisher gemeint hat. es sind wichtige Sammlungen angelegt worden, naturkundliche Sammlungen durch Friedrich Alfred, aber auch eine bedeutende Kunstsammlung, die wir hier in einem kleinen Auszug zeigen. Es gibt diese berühmte Schallplattensammlung von Alfred Krupp und es gibt auch weiter persönliche Sammlungen und ganz wichtig ist das Mäzenatentum."

Aus der Privatsammlung sind Gemälde Liebermanns, Feuerbachs, Joos van Cleve und andere Werke zu sehen. Die kunsthistorische Bibliothek umfasste 22.000 Bände und wurde zum Grundstock der Bochumer Unibibliothek. Ein Tonarchiv der Welt wollte Alfried von 1953-1967 anlegen und sammelte jede Schallplatte, egal ob Jürgen von Manger oder "Tristan und Isolde." Und über alles wurde genauestens Buch geführt, Karteikarten angelegt.

Bis heute wird der Mythos durch "Kruppianer" gepflegt, eine einzigartige Firmenbindung der Mitarbeiter. So wundert es nicht, dass die reichhaltige, gelungene Ausstellung nicht ganz der Versuchung widerstehen kann, selbst ein Teil der Mythenproduktion zu sein. Denkmalpolitik zählte auch schon früh zu Krupps Stärken.
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