Mutloses, müdes Theater

Von Andrea Gerk |
Luc Bondy hat "Don Juan kommt aus dem Krieg" von Ödön von Horvath aus der Versenkung gehoben. Dieses Spätwerk von Horvath hat Regisseur Bondy im Berliner Ensemble inszeniert - es würde allerdings in seiner gegenwärtigen Form besser in ein Provinztheater passen als in die Hauptstadt.
Als Ödön von Horvath 1936 sein Stück "Don Juan kommt aus dem Krieg" veröffentlichte, hatte der Dramatiker seinen Zenit gewissermaßen schon überschritten. Seine großen Werke, wie die "Geschichten aus dem Wiener Wald", waren schon einige Jahre vorher erschienen und was folgte, erreicht nie mehr diese Schärfe und Genauigkeit.

Dementsprechend gehört "Don Juan kommt aus dem Krieg" auch zu den eher selten gespielten Stücken Horvaths. Warum es jetzt von Regiealtmeister Luc Bondy am Berliner Ensemble aus der Versenkung gehoben wurde, erklärt dieser Abend nicht. Vor der dunklen Schräge, die Bühnenbildner Karl-Ernst Hermann gebaut hat, befindet sich eine violette Polstergruppe – ein Salon oder eine Bar, in der die Damenwelt, die hier in 35 verschiedenen Rollentypen vertreten ist, über die abwesende Männlichkeit philosophiert.

Vollkommenheit und Erlösung
In der Loge nebenan spielen drei Musiker auf, die Damen tragen Charleston Kostüme, die ganze Szenerie bleibt dem Jahr 1918 verhaftet. Als Don Juan, der Kriegsheimkehrer, auftritt, stürzen sich die Weiber-Phantasien auf die zermürbte Projektionsfläche Mann, deren Anziehungskraft unerklärlich bleibt. "Das Rätsel des Don Juan ist unlösbar", schrieb Horvath über seinen Anti-Helden, dem alle Frauen erliegen und der doch von keiner wirklich geliebt wird. Er selbst sucht Vollkommenheit und Erlösung in der einzigen Frau, die ihm abhanden gekommen ist: Die einst verschmähte Braut, die seine bittenden Briefe nun nicht mehr erhört, weil sie längst vor Kummer gestorben ist, wie er erst am Ende dieses Stationen-Dramas erfährt.

Was sich zwischen Kriegsheimkehr und der endgültigen Einkehr ins Jenseits des Helden an diesem Abend abspielt, ist ein bieder inszenierter Reigen kleiner Szenen und Begegnungen, aus denen nur eine einzige heraussticht: in ihr treffen die beiden Gäste des Ensembles Kathrin Angerer und Samuel Finzi allein aufeinander, und schaffen es, in diesem einen Moment etwas aufblitzen zu lassen von dem unbegreiflichen und zerstörerischen Zauber zwischen Mann und Frau.

Mysterium von Eros und Tod
Wenn Kathrin Angerer in ihrer unvergleichlichen Intonation seufzt: "Was zieht mich bloß so zu Dir hin?" und Finzi trocken unterspielt antwortet "Nichts", dann ist das ganze Mysterium von Eros und Tod erfasst. Diese beiden Ausnahmeschauspieler, die man schon grandios in fulminanten Inszenierungen von Frank Castorf oder Dimiter Gottschef gesehen hat, bleiben hier jedoch die meiste Zeit unter ihren Möglichkeiten. Nicht nur, weil – anders als bei Castorf – hier alles durchinszeniert und kontrolliert wirkt, ästhetisch nichts riskiert oder gewagt wird, sondern, weil sie umgeben sind, von zu vielen Kolleginnen, die auf einem ganz anderen Niveau zu Hause sind.

Außer der grandiosen Ilse Ritter und Swetlana Schönfeld, kann keiner den beiden das Wasser reichen und das Chargieren und Schmieren der restlichen Darstellerinnen wird umso schmerzlicher deutlich. Finzi und Angerer bleiben Fremdkörper in einem Ensemble, das man eher an einem kleinen Stadttheater vermuten würde, als in der Hauptstadt. Ein mutloses, müdes Theater, bei dem sich schon viel zu lange in die Jahre gekommene große Künstler von einem in die Jahre gekommenen Publikum feiern lassen.

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