Ana García und die neue indigene Popmusik Boliviens

Ana García ist eine echte Cholita – so werden die indigenen Sängerinnen in ihren traditionellen Kleidern in Bolivien genannt. Sie ist kurz davor, in ihrem Land berühmt zu werden, denn traditionelle indigene Volksmusik ist hier wieder salonfähig geworden.
"Ya atentos...atentos, atentas, van a coquetear siempre, ¿ya? Coquetas tienen que estar, ya listos 3 – 2 – 1 grabando..."
Zwei junge Frauen beginnen zu tanzen – ihre bunten Röcke drehen sich. Ein älterer Herr klampft auf einer Gitarre, ein anderer steht ein wenig im Abseits und bearbeitet ein Akkordeon. Die Musiker sind nicht ganz im Takt, aber das scheint keinen zu interessieren. Ein junger Mann mit einer modernen Spiegelreflexkamera filmt die Szene und gibt Anweisungen.
"Sonriendo Anabel, sonriendo...."
Ana García, die "Reina de las Coplas"
Wir sind im Naturpark Pairumani – auf fast 3.000 Metern in den bolivianischen Anden. Sanfte Hügel, eine malerische Landschaft. Hier entsteht ein Musikvideo. Mittendrin die 58-jährige Ana García – die offizielle "Reina de las Coplas" – eine Königin der bolivianischen Volksmusik. Sie tanzt, wirbelt herum und steppt mit ihren hohen Absatzschuhen, als wäre sie in ihren Zwanzigern.
"Die Quechua geht so: Wir laden den Partner zum tanzen ein, dann wird es wilder. So tanzen wir in Bolivien."
Ana García ist der Inbegriff der indigenen bolivianischen Frau – Cholitas nennt man sie hier. Natürlich singt Ana García auf Quechua, eine der wichtigsten indigenen Sprachen Boliviens. Und natürlich trägt sie die Pollera, den Rock der Cholita.
"Ich bin stolz auf meine Cholita-Kleidung. Schon in der Schule hat mir das sehr gefallen: grüne oder rote Polleras mit weißen Schuhen. Mit meiner Pollera fühle ich mich stark und geschätzt. Mit normaler Kleidung fühle ich mich irgendwie wertlos."
Die Regie für den Videodreh macht Franklin, der Sohn von Ana García. Der 32-jährige Musikproduzent weiß genau, was er von seiner Mutter will.
Indigene Popmusik ist Boliviens neuer Musiktrend
Der Sohn hilft der Mutter nicht ganz ohne Eigennutz, denn die traditionelle Musik der Cholitas ist mittlerweile der neue Pop-Trend in Bolivien. Mit indigener Musik lässt sich heute in Bolivien Geld verdienen. Franklin hat das verstanden und deswegen für seine Mutter eine moderne Marketingstrategie entwickelt. Und dazu gehören nicht nur Musikvideos.
"Das ist klar: Wenn wir nicht bei YouTube und in den sozialen Netzwerken auftauchen, gibt es uns nicht. Auch dieses Video gibt es bald im Netz zu sehen."
Und nicht nur Franklin unterstützt seine Mutter bei ihrer Musikkarriere. Dieser Videodreh ist die Arbeit der ganzen Familie: Ehemann Franz spielt die Gitarre und die beiden Töchter Carina und Maribel sind die Tänzerinnen. Der Familienbetrieb hat es weit gebracht: Musikalisch steht Ana García kurz vor dem Durchbruch.
Schon lange wartet Ana Garcia auf einen Auftritt in der "Show de Cosmos" im Fernsehsender "Canal Dos". An diesem letzten Samstag im September wird der Traum Wirklichkeit.
Richard Espinal – der Moderator der Show macht deutlich, dass hier nicht jeder landen kann.
"Wer hier auftritt, muss sich vor dem Publikum beweisen. Die hören sofort, wenn das nicht ordentlich klingt. Wer hier auftritt, hat den Test auf der großen Bühne bestanden."
Ana García tanzt, steppt und wirbelt herum – sie ist in ihrem Element.
Heute erhält sie ihren Ritterschlag von Don Lauro, dem 82-jährigen Gründer von Canal Dos, der seit einem halben Jahrhundert die besten bolivianischen Folklore Talente entdeckt und zu Stars macht.
"Ana Garcia macht sehr originelle und ehrliche Musik und präsentiert das alles mit viel Lebensfreude. Man muss bedenken, dass Cholitas wie Ana García früher diskriminiert wurden. Seitdem hat sich viel getan, man kann von einer Revolution sprechen."