Musikfest Berlin mit dem RIAS Kammerchor Berlin

Chorrenaissance - wie ein Phönix

Der Aussschnitt eines Bildes einer Handschrift zeigt Engel, die über Mauern schweben, lange Trompeten und einen Vogel.
Hildegard von Bingen notierte ihre hier dargestellte Vision von Jerusalem und komponierte zahlreiche Chorwerke. © imago images / Leemage
Moderation: Ruth Jarre · 23.09.2020
Nach sechs langen Monaten feierte der RIAS Kammerchor seine "Auferstehung" vor Berliner Publikum. Wie ein Phönix, der seine Flügel streckt, entfaltete sich die Vielstimmigkeit des Chores mit Werken unter anderem von Palestrina, Gesualdo und Caldara.
Es war ein denkwürdiges Konzert in vielerlei Hinsicht. Eigentlich sollten Werke von Haydn, Rihm und Cherubini erklingen, als Orchester war die Kammerphilharmonie Bremen angefragt. Undenkbar momentan.
Dann platzten mitten in die Probenarbeit am neuen Programm auch noch die aktuellen Abstandsverordnungen, die die Berufsgenossenschaft den professionellen Chören abverlangt: drei Meter in jede Richtung – eine zusätzliche Erschwernis, auf die die beiden Gespräche im Anschluss an den musikalischen Teil ausführlich eingehen.

Auffächern der Stimmvielfalt

Mit einem einstimmigen Hymnus Hildegard von Bingens beginnt der Abend, mit jedem Stück fächert sich das Gefieder des Phönix‘ weiter auf, von zwei-, drei- und vierstimmigen Werken über fünf-, sechs-, sieben-, acht- und neunstimmige Kompositionen unter anderem von Gesualdo, Byrd, Palestrina und Sheppard bis hin zum abschließenden 16-stimmigen "Crucifixus" von Antonio Caldara.
Die Sänger stehen weit verstreut auf der Bühne und erhalten Beifall vom licht besetzten Publikum.
Große Abstände in den Zuschauerreihen - noch größere zwischen den Mitgliedern des RIAS Kammerchores auf der Bühne der Berliner Philharmonie.© RIAS Kammerchor Berlin / Justus Hoffmeier
Um so wichtiger wurde für Justin Doyle die Botschaft, die er mit diesem Konzert vermitteln möchte. So schreibt er im Programmheft: "Wir mussten lernen mit dieser Situation umzugehen, denn der Abstand erschwert es, einander zu hören. Doch die Chance, neu miteinander arbeiten zu lernen, bereitete uns allen große Freude. Deshalb sehe ich das erste Konzert dieser Saison als eine Art "Wiedergeburt" oder Renaissance unseres Chorsingens an". Und so ist auch die Überschrift zu diesem Konzert mehr als nur ein Hinweis auf den Inhalt: "Chorrenaissance – wie ein Phönix".
Zu Gast an der Orgel: Martin Baker, seit 2000 Master of Music an der Westminster Cathedral in London.
Aufzeichnung des Konzertes vom "Musikfest Berlin" am 16. September 2020 in der Philharmonie Berlin
Hildegard von Bingen
"O Virtutis Sapientiae"
Hymnus für Frauenstimmen
Orgelimprovisation
Orlando di Lasso
"Fulgebunt justi"
Motette zu zwei Stimmen
Orgelimprovisation
Gilles Binchois
"Veni creator spiritus"
Sequenz zu drei Stimmen über den Pfingsthymnus
Orgelimprovisation
William Byrd
"Sanctus" aus: Messe zu vier Stimmen
Giovanni Pierluigi da Palestrina
"Agnus Dei" I & II aus: Missa Brevis
Orgelimprovisation
Carlo Gesualdo da Venosa
"Tristis est anima mea"
Responsorium zu sechs Stimmen
Orgelimprovisation
John Sheppard
"Libera nos" II
Antiphon zu sieben Stimmen
Orgelimprovisation
Tomás Luis de Victoria
"Ave Maria"
Motette für zwei vierstimmige Chöre
Johann Bach
"Unser Leben ist ein Schatten"
Motette zu neun Stimmen in zwei Chören
Orgelimprovisation
Antonio Caldara
"Crucifixus"
zu 16 Stimmen

Martin Baker, Orgel
RIAS Kammerchor Berlin
Leitung: Justin Doyle

im Anschluss ca. 21.10
"Endlich wieder Teil eines Ensembleklangs"
Andrea Effmert, Alt, und Viktoria Wilson, Sopran, im Gespräch
"Kontinuierliche Arbeit ist für uns entscheidend"
Chordirektor Bernhard Hess im Gespräch mit Ruth Jarre
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