Musikerziehung für Kinder

Es reicht nicht aus, nur eine CD anzustellen

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Eine Frau hilft vier Kindern beim Stimmen ihrer Geigen.
Wissenschaftlich belegt, doch viel zu selten gefördert: Kinder haben schon früh ein erstaunliches Wissen über musikalische Zusammenhänge. © Picture Alliance / dpa / Johannes Reichert
Stefan Kölsch im Gespräch mit Julius Stucke · 11.03.2020
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Musik gehört zur menschlichen Natur. Deswegen sollten Kinder so früh wie möglich mit ihr in Kontakt kommen, betont der Neurowissenschaftler Stefan Kölsch. Besonders wichtig: das Singen.
Es steht nicht gut um die frühkindliche Musikerziehung in Deutschland. Bis zu 80 Prozent der Musikstunden fallen aus oder werden von fachfremden Lehrkräften abgehalten, wie es in einer neuen Studie der Bertelsmann-Stiftung und des Deutschen Musikrats heißt. In Kindergärten sei die Lage noch desaströser: "Es findet fast nichts mehr statt", sagt Christian Höppner vom Musikrat.
Dadurch gehe bei Kindern viel verloren, findet Stefan Kölsch. Er selbst hat Geige, Psychologie und Soziologe studiert, heute arbeitet er als Neurowissenschaftler im norwegischen Bergen.

Singstunde morgens im Kindergarten

Musik sei Teil der menschlichen Natur, sagt Kölsch. Jede bekannte Kultur beinhalte neben Sprache auch Musik. "Deswegen gehört es auch zu der natürlichen Entwicklung eines Kindes, dass es Musik kennenlernt", sagt er. So würden auch andere Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit, Sensomotorik oder soziale Fertigkeiten gestärkt – und zwar so, "dass es Spaß macht".
Kölsch kennt das auch von seinen eigenen Kindern, die in Bergen einen Gesangskindergarten besuchen. Dort werde besonders viel gesunden. Bereits am Morgen gebe es eine Singstunde. Die Erzieher sagten, dass die Musik die Kinder beruhige und Routine in den Tagesablauf bringe, berichtet der Neurowissenschaftler.

Babys wippen im Takt

Doch es reiche nicht aus, "einfach eine CD anzustellen", betont der Musiker. Wichtig sei, dass sich die Kinder aktiv beteiligten und beispielsweise die Gelegenheit hätten, ein Instrument auszuprobieren und kennenzulernen. "Und ganz wichtig: Dass sie lernen zu singen." Dazu gehöre, die Texte und die Melodien der Lieder zu lernen. Dafür seien qualifizierte Erzieher nötig, stellt Kölsch fest.
Die positiven Eigenschaften von Musik für Kinder sind ihm zufolge wissenschaftlich belegt. So würden sich bereits Kleinkinder von drei bis sechs Monaten zu Musik bewegen – "und wenn sie das tun, dann lächeln sie", zeigten also ihre Freude. Bei Untersuchungen sei zudem festgestellt worden, dass zweieinhalbjährige Kinder bereits ein erstaunlich genaues Wissen über die musikalischen Regeln hätten.

Auch den Eltern wird geholfen

Außerdem sei wissenschaftlich belegt, dass die Entwicklung des Taktgefühls auch für die Sprachentwicklung wichtig ist. So könnten entsprechende Takt-Übungen Kindern helfen, die Entwicklungsverzögerungen beim Lesen oder Schreiben hätten, erläutert Kölsch.
Deswegen empfiehlt Kölsch, dass Eltern schon mit Babys und Kleinkindern "öfters singen, im Takt sprechen oder tanzen". Dies habe zudem "den angenehmen Nebeneffekt, dass es die Eltern mit beruhigt".
(rzr)
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