Der deutsche Sport und das Coronavirus

Flickschusterei statt klarer Linie

04:31 Minuten
Ein paar Sportschuhe in orange liegt auf einem garuen Kunstrasen.
Corona: Konsequent wäre es eigentlich, Fußballspiele komplett ausfallen zu lassen. © Unsplash / Fachry Zella Devandra
Ein Kommentar von Thomas Wheeler · 11.03.2020
Audio herunterladen
Wie kann der Sport auf die Ausbreitung des Coronavirus reagieren? Am besten mit einer einheitlichen Strategie, die weitere Infektionen so gut es geht verhindert. Doch was in anderen Ländern funktioniert, bleibt in Deutschland aus, kritisiert Thomas Wheeler.
Der deutsche Sport ist beim Umgang mit Corona genauso überfordert wie unsere Politiker. Erinnern wir uns: War es nicht ein gewisser Herr Spahn, der noch Ende Januar sagte, der Krankheitsverlauf bei Corona sei milder als bei einer Grippe? Deutschland sei gut gewappnet.
Nun, eineinhalb Monate später, klingt das alles ganz anders. Jetzt empfiehlt der Bundesgesundheitsminister, öffentliche Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Zuschauern bis auf Weiteres abzusagen. Ja, was denn nun, Herr Spahn?

Schnelle Reaktion in China

Auch unsere Sportverbände und Vereine haben das Ansteckungsrisiko unterschätzt und teilweise auch ignoriert. Man hat den Kopf in den Sand gesteckt. Die Chinesen, wo das Virus Ende Dezember zum ersten Mal auftrat, reagierten da schon deutlich schneller und der Lage angemessen. So verschob der Fußballverband den Start der Profiliga auf ungewisse Zeit. Später wurde auch der Spielbetrieb in anderen Sportarten ausgesetzt.
So verfährt übrigens auch Japan, wo im Sommer die Olympischen Spiele in Tokio stattfinden sollen. Italien, das in Europa bislang am stärksten von der Epidemie betroffen ist, reagierte ebenfalls relativ früh. Erst gab es Fußballspiele ohne Zuschauer, nun ruht der gesamte Sportbetrieb zunächst bis Anfang April.
Weltweit werden Wettbewerbe entweder abgesagt oder die Wettkämpfe finden vor leeren Rängen statt. Und bei uns? Der sonst so gepriesene Föderalismus hierzulande ist in solch einer Ausnahmesituation eher hinderlich als hilfreich. Dabei ist es höchste Zeit, Kleinstaaterei und Kompetenzwirrwarr zu überwinden.

Coronafall in der zweiten Liga

Die Deutsche Eishockeyliga hat dies verstanden und ihre Saison gestern sofort beendet. Das nenne ich konsequent und fürsorglich. Sowohl gegenüber den Fans als auch den Spielern.
Die Deutsche Fußballliga dagegen will zumindest momentan noch die Spielzeit unbedingt durchziehen. Immerhin: In der 1. Bundesliga gibt es wegen Corona heute Abend das erste sogenannte Geisterspiel bei der Nachholpartie Borussia Mönchengladbach gegen den 1. FC Köln. Am kommenden Wochenende wird der komplette Spieltag ohne Fans stattfinden.
In der 2. Liga jedoch sollen einige Partien, Stand jetzt, mit Zuschauern ausgetragen werden. Kann das noch einer verstehen? Und warum wurde gestern Abend in Leipzig Champions League vor vollen Tribünen gespielt und morgen wohl auch in Frankfurt am Main in der Europa League?
Mittlerweile ist auch der deutsche Profifußball direkt betroffen. Bei einem Spieler von Zweitligist Hannover 96 wurde das Virus festgestellt. Möglicherweise gibt es nun auch ein Umdenken für Spiele unterhalb der ersten Liga.

Abklatschen wird nicht empfohlen

Und wie reagieren andere Sportarten? Beim Handballländerspiel der Männer am kommenden Freitag in Magdeburg sind die Spieler unter sich, weil die Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Zuschauern ausgesetzt hat.
Kleine Ironie am Rande: Der Berliner Handballverband empfiehlt seinen Spielern, sich nicht abzuklatschen. Den Ball dürfen beide Mannschaften aber schon in die Hände nehmen. Hä?
Und wie positioniert sich der Deutsche Olympische Sportbund, also der Dachverband von alledem? Der will bislang keine allgemeingültigen Vorgaben für Sporttreibende und Sportveranstalter geben. Verstehe das, wer will. Sie merken schon: Der deutsche Sport hat noch keine Linie beim Umgang mit Corona. Jeder macht seins. Der Eine ein bisschen mehr, der Andere ein bisschen weniger.
Mehr zum Thema