Musik

Klänge, die uns verbinden

Pygmäen zeigen einen Willkommenstanz im Kongo
Pygmäen zeigen einen Willkommenstanz im Kongo © AFP / Foto: Emmanuel Angleys
Von Thomas Gith |
Musik kann uns zu Tränen rühren oder auch aufheitern. Manche meinen daher, Musik sei eine universelle Sprache der Gefühle. Ob das stimmt, haben deutsche und kanadische Forscher untersucht. Dafür haben sie sich auch die Musik afrikanischer Völker angehört.
Pygmäen aus dem Kongo musizieren. Männer und Frauen singen gemeinsam, sie klatschen in die Hände, bewegen sich zur Musik. Instrumente nutzen sie dabei nicht.
(Hörbeispiel)
Aufgezeichnet wurde dieses Stück von einer kanadischen Forscherin. Sie hatte die Pygmäen bereits öfter in ihrem kongolesischen Dorf besucht. Das Besondere dabei: Die Gruppe lebt bis heute weitgehend isoliert von der westlichen Welt, hat keinen elektrischen Strom, kannte bisher auch keine westliche Musik. Für die Forschung ist das ideal, sagt Musikwissenschaftler Dr. Hauke Egermann vom der TU Berlin.
"Das Interessante an der Pygmäen-Kultur ist natürlich, dass sie sehr viel selber Musik machen. Das heißt, jedes Mitglied der Kultur musiziert. Sie haben eine sehr komplexe, interessante Musik. Da gibt es auch schon viele Abhandlungen drüber. Und sie nutzen auch Musik, um sich emotional zu stimulieren."
Emotionale und körperliche Reaktionen
Für ihre Studie haben die Forscher aus Kanada und Deutschland gemeinsam untersucht, wie die Pygmäen auf ihre eigene Musik reagieren – und wie verglichen damit eine Gruppe Kanadier auf die Musik der Pygmäen reagiert. Beiden Gruppen wurde in einem weiteren Teil des Experiments zusätzlich westliche Musik vorgespielt – unter anderem von Brahms und Bach sowie verschiedene Filmmusiken. Gemessen wurde jetzt, wie die Studienteilnehmer emotional und körperlich auf die verschiedenen Stücke reagieren, erläutert Hauke Egermann.
"Während die Probanden die Musik gehört haben, haben sie uns zeitgleich berichtet, ob die Musik auf sie entweder anregend oder beruhigend wirkt. Und, ob sie entweder positiv oder negativ wirkt. Das Gleiche haben wir dann auch noch physiologisch erfasst, das heißt, wir haben versucht, Körperparameter zu finden, die den Erregungsgrad abbilden und Körperparameter, die die Wertigkeit der erlebten Emotionen abbilden. Das heißt, ob die Emotion, die die Teilnehmenden erleben, eher positiv oder negativ ist."
Physiologisch wurde die Herz- und Atemrate erfasst, der Hautleitwert der Teilnehmer gemessen und deren Mimik analysiert – also etwa, ob sie beruhigt oder angespannt gucken. Das Spannende dabei: Die Probanden beider Gruppen reagierten körperlich gleich auf die Musik der Pygmäen – also unter anderem mit einer ähnlich veränderten Herz- und Atemrate. Auch die subjektive Wertigkeit wurde gleich angegeben – doch es zeigten sich auch erste Unterschiede.
"Insgesamt haben die westlichen Hörer die Pygmäen-Musik als ruhiger bewertet, als die Pygmäen selbst. Und beide Gruppen haben die Musik als positiv bewertet. Das waren zwei globale Befunde. Und dann waren die Pygmäen aber noch stärker in der Lage, zwischen den unterschiedlichen Stücken noch weiter zu differenzieren. Das heißt, die westlichen Hörer haben natürlich kein Wissen über die Bedeutung dieser Stücke gehabt, die sich rein akustisch, musikstrukturell, sehr ähneln. Sie waren nicht in der Lage, da zu differenzieren. Wohingegen die Pygmäen in der Lage waren, zwischen all diesen positiven Stücken einige auszumachen, die positiver waren oder weniger positiv waren und Stücke, die eher erregender waren und Stücke, die eher beruhigender waren."
Deutlich wird das etwa bei dieser Musik: Die Pygmäen singen sie, um sich in eine positive Stimmung zu versetzen, wenn sie Angst haben. Sie selbst gaben daher einen hohen subjektiv empfundenen Erregungsgrad beim Hören an.
(Hörbeispiel)
Hauke Egermann.
"Die Pygmäen haben dieses Stück als mit am erregendsten bewertet. Und die westlichen Hörer haben einfach alle Stücke gleich erregend bewertet. Und es haben beiden Gruppen aber dieses Stück als positiv bewertet."
Unterschiedliche Empfindungen
Ein erstes Indiz dafür, dass Musik subjektiv als sehr unterschiedlich empfunden wird – selbst dann, wenn beide Gruppen körperlich gleich auf sie reagieren. Noch deutlicher wurden die Unterschiede bei der westlichen Musik. Der Berliner Musikwissenschaftler gibt ein Beispiel.

"Ich spiele ihnen noch mal einmal aus dem Soundtrack von Starwars, aus der Cantina-Szene, ein Stück vor."

"Das ist ein sehr schönes Beispiel für ein Stück, das halt so einen sehr fröhlich, amüsierten Charakter hat, was im Mittel von allen westlichen Hörern als eindeutig positiv und stimulierend erlebt wurde. Und auch entsprechende physiologische Reaktionen erzeugt hat. Das heißt, hier gab es dann erhöhte Aktivität des autonomen Nervensystems, wie erhöhte Herzrate, Atemrate und Hautleitwert. Und auch eine Aktivierung des Muskels, den wir verwenden, um zu lächeln."

Auch bei den Pygmäen stiegen Herz- und Atemrate sowie der Hautleitwert, als sie den Soundtrack aus dem Starwars-Film hörten. Allerdings: Die als subjektiv bewerteten Eigenschaften der Musik wichen stark von denen der Kanadier ab. Die Pygmäen bewerteten das Stück neutral, mit der Tendenz zum Negativen – also keineswegs so positiv wie die westlichen Hörer. Ein Indiz dafür, dass die Wertigkeit von Musik vor allem gelernt wird, die physiologischen Reaktionen aber universell sind, so der Musikwissenschaftler Hauke Egermann.

"Wir konnten auf Grund der Ähnlichkeiten und Unterschiede, die wir in der Studie beobachtet haben, belegen, dass der Erregungsgrad, den die Musik in uns induziert, das heißt physiologisch, vermutlich eher universell ist. Das heißt, dass er in allen Kulturen ähnlich ist. Wohingegen die Wertigkeit, das heißt man könnte auch fast sagen, die Qualität der Emotionen, ist es jetzt angenehm, ist es unangenehm, ist es positiv, ist es negativ, ist es fröhlich, ist es ängstlich, wütend, die Wertigkeiten waren nicht ähnlich zwischen den beiden Gruppen. Das heißt, es gab hier keine Universalie."

Musik besitzt also durchaus universelle Aspekte – zumindest was die körperliche Reaktion auf sie betrifft. Bei hohen Tonhöhen, hohen Klangfarben und Schnelligkeit etwa stieg die Erregung in beiden Gruppen, fanden die Forscher heraus. Ob die Musik allerdings subjektiv als positiv oder negativ, also als traurig oder fröhlich, feierlich oder romantisch bewertet wird, ist hingegen nicht universell– sondern vor allem gelernt und damit stark durch unseren kulturellen Hintergrund geprägt. Musik lässt sich demnach also nicht pauschal als universelle Sprache der Gefühle bezeichnen – auch wenn sie durchaus einige universelle Aspekte besitzt.


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