Mummenschanz & Klassenkampf

Von Wolf Eismann |
Mit seinem Agitationsstück "Cyankali" 1929 im Berliner Lessing-Theater sorgte Friedrich Wolf für einen Skandalerfolg. Als Familientragödie à la Schillers "Kabale und Liebe" thematisierte Wolf, selbst hauptberuflich Arzt, die Problematik um den Paragraf 218. Die Aufführung führte zu seiner Verhaftung, und Erich Kästner schrieb in der Neuen Leipziger Zeitung: "Das Theater vermag es also, die Gesetzgebung und die innere Politik zu beeinflussen."
Friedrich Schiller propagierte das Theater als "moralische Anstalt". Bert Brecht errichtete mit seinen Stücken eine Denkwerkstatt für den Klassenkampf. Theater hat noch nie unter Ausschluss der Zeit stattgefunden, in der es aufgeführt wird. Kann die Bühnenkunst heute noch Schlagzeilen machen, die Gemüter erhitzen und Diskussionen anzetteln?

Ulrich Khuon, Intendant des Hamburger Thalia Theaters, will mit seinen Inszenierungen das Publikum verstören, ihm neue Sichtweisen eröffnen. Hasko Weber gab hierfür jüngst im Schauspiel Stuttgart ein Beispiel mit "Endstation Stammheim", einer Annäherung an den Mythos RAF. Der Regisseur Luk Perceval hingegen meint, das Theater werde hierzulande immer noch viel zu sehr als didaktisches Instrument gesehen. Der 25-jährige Dirk Laucke, gefeierter Nachwuchs-Dramatiker des Jahres, sucht deshalb nach neuen Wegen: wieder näher am Menschen, näher an der Welt.

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