Feministische Stadtplanerin Eva Kail

Kurze Wege und viel Freiraum

33:29 Minuten
Illustration eines Stadtplan in Lego-Optik.
Als Kind wollte Eva Kail "Legoarchitektin" werden. Ihren Berufswunsch hat sie dann in der realen Welt umgesetzt. © Getty Images / Digital Vision / Anilyanik
Moderation: Katrin Heise · 18.03.2022
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Die Wienerin Eva Kail ist Spezialistin für gendergerechte Stadtplanung. Sie erklärt, wie man Städte für alle Bevölkerungsgruppen lebenswerter gestalten kann, mit Platz für Kinder, ältere Mitbürger und Fußball spielende Mädchen.
„Müssen wir die Gehsteige rosarot streichen?“ Diese und ähnlich fragwürdige Reaktionen bekam Eva Kail vor 30 Jahren häufig zu hören. In der Wiener Baudirektion war sie noch neu. Ihr Aufgabengebiet, die feministische Stadtplanung, war es auch.
Bis heute ist sie dort tätig, ihr Titel: Obersenatsrätin. Ob beim Wohnen, Verkehr oder bei der Gestaltung öffentlicher Räume, Kail achtet auf frauengerechte Stadtplanung.
Immer wieder ist davon zu lesen, dass sie dabei „Gender-Mainstreaming“ umsetzt. Dass es bei diesem Begriff ein „Aufstöhnen“ gebe, könne sie verstehen, sagt Kail, er sei nicht selbsterklärend. In Wien verwende man daher das „Genderplus- Konzept“. Das bedeute konkret: „Es geht nicht nur um das biologische Geschlecht, sondern um die sozialen Rollen, die man hat. Habe ich einen versorgenden Alltag, kümmere ich mich um Kinder, um ältere Angehörige, oder fühle ich mich für das Einkaufen zuständig?“

Die Frauen-Werk-Stadt als Muster

In diesen Fällen, so Eva Kail, wären kurze Weg enorm wichtig. Für Kinder oder hochbetagte Menschen sei vor allem das unmittelbare Wohnumfeld relevant, denn ihr Radius sei deutlich begrenzt.
Als sie in den 1970er-Jahren an der Technischen Universität Wien ausgebildet wurde, habe die Fortbewegung zu Fuß noch keine Rolle gespielt, berichtet die Stadtplanerin. Damals galt: „Verkehrsplaner sind weiße autofahrende Männer der Mittelschicht.“ Breite Gehsteige, wo sich zwei Erwachsene mit Kinderwagen bequem begegnen und bewegen können: Das habe außerhalb der Vorstellungskraft gelegen.
Ein Musterbeispiel für feministische Stadtplanung ist laut Kail die Frauen-Werk-Stadt, eine in den 1990er-Jahren gebaute Wohnhausanlage im 21. Wiener Gemeindebezirk Floridsdorf: „Wohnungsgrundrisse sind hier flexibel nutzbar. Diese Wohnungen kann man für jede Lebensphase adaptieren, da die Zimmer gleich groß sind. Die ganze Anlage ist autofrei.“ Dazu gebe es herausgestellte Küchenerker, um die Kinder beim Spielen im Hof beobachten zu können. Inzwischen orientiere sich jedes geförderte Wohnbauprojekt an der Frauen-Werk-Stadt.

Berufswunsch: „Legoarchitektin“

Ein wichtiges Thema feministischer Stadtplanung sei auch die Gestaltung von Parks. Die habe man sehr lange nur aus dem männlichen Blickwinkel betrachtet. Ein typisches Beispiel seien die Fußballkäfige.
Untersuchungen, so die Stadtplanerin, hätten gezeigt, dass sich Mädchen hier unwohl fühlen, obwohl auch sie gern Fußball spielen. Deswegen habe man dann Plätze „mit viel offeneren Eingangssituationen“ geschaffen, dazu Sitzgelegenheiten und „Rückzugsräume“. Der Mädchenanteil sei dadurch deutlich gestiegen. „Man muss einfach nur genauer hinschauen oder genauer fragen“, sagt Kail.
Für Eva Kail stand schon als Kind fest, später mal etwas mit Bauen und Architektur zu machen. Stundenlang entwarf sie Häuser aus Legosteinen. „Legoarchitektin“ wollte sie werden. „Zu meiner Schande muss ich gestehen, das waren immer sehr konventionelle Einfamilienhäuser.“
Später studierte sie Raumplanung. „Das Interdisziplinäre hat mich total fasziniert. Ich habe das schon verdammt cool gefunden, dass ich sagen konnte: Ich studiere an der Technischen Universität. Ich werde Diplom-Ingenieur. Damals war man ja noch weit von weiblichen Berufsbezeichnungen entfernt.“

Paris und Barcelona mit Drive

Was die feministische Stadtplanung betrifft, blickt Kail optimistisch in die Zukunft. „Ich finde die Beispiele Paris und Barcelona sehr ermutigend, mit den weiblichen Bürgermeisterinnen. Da ist wirklich ein totaler Drive entstanden, gerade was die Neuorganisation von Verkehrsstrukturen betrifft.“
(ful)
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