Architekt Philipp Meuser

"Architektur kann man auch ideologiefrei diskutieren"

Der Architekt Philipp Meuser im Porträt: Er hat eine Brille und graue Haar und blickt zur Seite.
Mali, Nordkorea, Usbekistan: Der Architekt Philipp Meuser studiert Baustile auf der ganzen Welt. © Jennifer Tobolla
Moderation: Ulrike Timm · 14.12.2021
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Die Baukunst in Afrika hat es ihm ebenso angetan wie die Plattenbauten in der usbekischen Hauptstadt Taschkent: Der Architekt Philipp Meuser ist überall auf der Welt unterwegs. Und hat gelernt, das eigene Verständnis von Schönheit in Frage zu stellen.
Was haben Zoos und Botschaftsgebäude gemeinsam? In beiden Fällen spielt die Frage der Sicherheit eine entscheidende Rolle.
Bei einem Zoo dürfe kein Tier ausbrechen. „Und wir müssen bei den Botschaftsbauten darauf achten, dass niemand einbricht. Der eine darf nicht rein, der andere darf nicht raus“, erklärt Philipp Meuser.
Zusammen mit seiner Frau Natascha hat der Architekt und Verleger nicht nur einen eigenen Verlag, sondern auch ein gemeinsames Architekturbüro zur „Planung und Projektsteuerung von sondergeschützten Bauten im In- und Ausland“ gegründet. Und dazu zählen eben auch Zoos und diplomatische Einrichtungen.

Architektur in Afrika auf 3400 Seiten

Zuletzt war Meuser als Architekt überwiegend in Afrika unterwegs, vor allem in den Ländern südlich der Sahara. Er ist begeistert von der dortigen Baukunst und hat darüber einen siebenbändigen Führer veröffentlicht: „Architektur in Afrika. Bautypen und Stadtformen südlich der Sahara“.
Ein Mammutprojekt, denn das Gebiet umfasst 49 Länder. Auf 3400 Seiten haben 350 Autorinnen und Autoren 71 Städteporträts angefertigt.
Kleiner ging es nicht? „Nein“, sagt Philip Meuser. „Wenn Sie über ganz Subsahara-Afrika schreiben, dann geht es wirklich nicht kleiner. Man muss die Gesamtheit der Architektur und die Baukunst dieses riesigen Kontinents erfassen.“
Beim Bauen wende sich unser Blick ganz selbstverständlich nach Europa, in die USA oder nach China, so der Architekt. Die vielfältige afrikanische Baukunst bleibe hingegen weitgehend unbekannt.
Was Meuser in Ländern wie Mali, Liberia oder Burkina Faso besonders schätzt: Dort wird darauf geachtet, „wie die klimatischen Verhältnisse sind, welche Materialien vor Ort vorhanden sind, welche Kenntnisse über Baukonstruktionen vorhanden sind."

Termitenhügel als Vorbild für ökologisches Bauen

In der siebenbändigen Reihe zeigen Meuser und die zahlreichen Autoren traditionelle Hütten, Gotteshäuser, Bürogebäude, auch Stadien. Ganz besonders „einprägsam“ sind für den Architekten und Verleger die Lehmmoscheen im westlichen Afrika.
Faszinierend, wie ein Termitenhügel als Vorbild für ökologisches Bauen dienen kann: „Man muss sich einfach nur in der Natur abschauen, wie man durch natürliche Lüftungskanäle ein Klima erzeugen kann, das keine Technik braucht, keine Aircondition. Wie man einfach nur durch Luftzirkulation ein Gebäude kühlen kann.“
Auch für Plattenbauten, die eigentlich ein eher schlechtes Image haben, kann sich Meuser begeistern. Nachhaltig beeindruckt war er von den Fassadenmosaiken der Plattenbauten in der usbekischen Hauptstadt Taschkent.
„Sozialistische Baukunst, die ich zuvor noch gar nicht wahrgenommen hatte. Das ist das Schöne an der Architektur. Ich betrachte sie weniger aus der sozialen Perspektive, sondern mehr aus der baulichen und ästhetischen Perspektive. Ich habe mit den Menschen gesprochen, die das gebaut haben. Da erschließt sich eine Stadt plötzlich ganz anders.“

Anderes Verständnis von Schönheit

Ähnlich erging es Meuser auch in Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang. „Ich nehme mir als Architekt das Privileg heraus, dass ich über politische Grenzen hinweg mit den Menschen über Architektur sprechen kann. Architektur kann man auch ideologiefrei diskutieren. Die Menschen wollen auch dort schöne Städte bauen. Sie haben nur ein anderes Verständnis von Schönheit. Das muss man lernen, wenn man im Ausland als Architekt unterwegs ist.“
(ful)
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