München

Mit Jan Weiler auf dem Weihnachtsmarkt

Weihnachtsmarkt auf dem Marienplatz in München mit der Frauenkirche im Hintergrund
Weihnachtsmarkt auf dem Marienplatz in München mit der Frauenkirche im Hintergrund © Imago / All Canada Photos
Von Andi Hörmann · 24.12.2015
Der Schriftsteller Jan Weiler ist spät dran. Auf dem Münchner Weihnachtsmarkt sucht er nach Geschenken für die Kinder, auch wenn die eigentlich nur Apps wollen. Andi Hörmann hat ihn begleitet und mit ihm über Konsum, Glühwein und Helene Fischer gesprochen.
Viele Tannenzweige, ein wenig Glitzer-Firlefanz, kein dudelnder Advents-Pop: der Weihnachtsmarkt am Münchner Rathaus. Eine wuselnde Menschenmenge mit fremden Gesichtern. Mittendrin ein unscheinbarer Prominenter in schwarzem Parka und orangefarbenem Wollschal.
"Hallo, hi."
Autor: Ein kurzes Wort der Begrüßung, die Vorstellung wie ein einleitender Satz zu einer seiner Kolumnen.
Jan Weiler: Ich bin Jan Weiler, ich bin Schriftsteller. Ich wohne in der Nähe von München und muss jetzt hier noch Sachen kaufen. Viel zu spät. Ich habe bereits zwei Fingerpuppen erworben.
Der Baum sieht aus, als stünde er seit Mai da
Autor: Und wir stehen jetzt hier... Also, zentraler geht es eigentlich nicht in München... Wir stehen hier am Rathaus, Marienplatz, Weihnachtsmarkt.
Jan Weiler: Der Baum sieht ein bisschen traurig aus. Er sieht aus, als würde er bereits seit Mai da stehen.
Autor: Irgendwie fehlt der Schnee.
Jan Weiler: Es fehlt der Schnee und vielleicht Wasser. Ich weiß es nicht genau.
Autor: Ja, wo gehen wir denn hin? Ich lasse mich gerne ein bisschen mitziehen.
Jan Weiler: Wir gehen einfach ein Stück da runter und kucken mal, was es noch gibt. Das Meiste ist ja scheußlich. Das ist das große Problem. Die meisten Dinge sind sehr, sehr hässlich, kommen aus China und warten hier auf chinesische Touristen, die das alles wieder zurück nach China bringen.
Konsum "finde ich voll in Ordnung"
Autor: Die Vita von Jan Weiler liest sich wie ein Märchen der Generation "Irgendwas mit Medien". 1967 in Düsseldorf geboren, erste journalistische Erfahrungen bei einer Lokalzeitung, nach dem Zivildienst Werbetexter, Journalistenschule, danach Redakteur beim SZ-Magazin, 2000 dann Chefredakteur und drei Jahre später der Debütroman "Maria, ihm schmeckt's nicht". Seine Bücher haben heute eine millionenfache Gesamtauflage.
Und Jan Weiler ist ein viel gefragter Autor, er liefert und liefert und liefert: Kolumnen, Drehbücher, Hörspiele. Alles Geschichten, die nah am Alltag sind. Und so schlendert Jan Weiler nun auch über diesen Münchner Weihnachtsmarkt: Ist da ein kritischer Blick auf den vorweihnachtlichen Konsumwahn in seinen Augen?
Jan Weiler: "Finde ich voll in Ordnung. Man kann sich natürlich fürchterlich darüber aufregen und sagen: das ganze Weihnachtsfest ist ja nur noch Geschenke aufreißen und nicht mehr richtig hinsehen und viel Geld ausgeben. Ok. So what. Dann ist das eben so. Es ist halt eben ein wichtiges Konjunkturmodell, sag ich mal so. Viele Menschen kaufen sich dann Dinge, die sie sich sonst das ganze Jahr nicht kaufen. Ich fände es viel schlimmer, wenn alles Leute einen knallharten Konsumverzicht ausüben würden und sich gar nichts schenken. Das fände ich ein bisschen traurig."
Außer Kleidung muss für die Kinder heute alle digital sein
Autor: "Ein Mini-Bastelbogen, da kann man sich die architektonische Highlights aus München basteln. Wäre das nichts für den Adventskalender?"
Jan Weiler: "Nichts für meinen Sohn, weil er nicht die Geduld dafür aufbringt. Der ist kein großer Bastler. Der ist ein ausgesprochen pragmatischer Mensch und ist dem Basteln weitgehend abhold. Der Nostalgie-Stand hält nichts für uns zwei bereit. Merken Sie das auch?"
Autor: "Oder so ein Münchner-Kindl-Anhänger, wäre das nichts?"
Jan Weiler: "Nee, nee. Also am ehesten noch so das Krokodil da. Ein beweglicher Bastelbogen. Aber aus dem Alter sind wir raus. Wir sind zu alt dafür. Es ist ja auch das Schlimme: Die Kinder haben ja gar keinen Sinn mehr für Nostalgie, die wollen immer nur Apps haben. Vielleicht gibt es eine Nostalgie-App. Das ist echt das Schwierige, die sind ja sehr elektronisch heute. Entweder es muss mit irgendwas verlinkt sein oder auf einem Display darstellbar oder transportabel. Das ist leider das Problem: diese ganz normalen, analogen Dinge interessieren die nicht mehr so - außer es handelt sich um Klamotten. Klamotten werden von meinen Kindern noch analog genommen."
Autor: "Mir fällt auf, wir hören überhaupt keine Musik auf dem Weihnachtsmarkt."
Jan Weiler: "Ja, ist mir auch schon aufgefallen. Merkwürdig, finde ich auch. Das ist anderswo auch anders."
Götz Alsmann statt Helene Fischer
Autor: "Was läuft denn bei Jan Weiler zu Hause an Weihnachten für Musik?"
Jan Weiler: "Im Moment läuft Götz Alsmann. Götz Alsmann hat einfach diese klassischen Weihnachtslieder, vor allem amerikanische, diesen ganzen Frank-Sinatra-Kram, sehr sehr schön übersetzt, alles auf Deutsch gesungen, und eben mit dieser fantastischen WDR-Big-Band wirklich auch toll aufgenommen. Richtig guter Sound, nicht so ein Geschrubbel. Der ist ein guter Sänger, das ist so ein Crooner, das ist nicht so ein Knödelheini. Der singt immer sehr schön zurückgenommen. Das gefällt mir, mag ich gerne.
Was es bei uns nicht gibt, und ich würde mir wahrscheinlich eher in den Fuß schießen, als sowas zu hören wie Helene-Fischer-Weihnachtsmusik. Da muss ich sagen, das finde ich so das Schlimmste vom Furchtbarsten. Das ist so an Verlogenheit und Stumpfheit nicht zu überbieten. Das höre ich nicht. Ich bin ja wirklich ein toleranter Mensch, aber wenn das einer bei uns auflegen würde, dann würde ich sagen: nein, ich gehe, wenn das eine Sekunde länger läuft bin ich weg. Wiedersehen."
Zum Abschluss Glühwein light
Autor: "Ok, jetzt haben wir einen schönen Rundgang gemacht. Jetzt sind wir wieder angekommen am Marienplatz."
Natürlich bleiben wir noch an einem Glühwein-Stand stehen und überlassen den Weihnachts-Schnickschnack der umliegenden Bretterbuden den Touristen.
Jan Weiler: "Glühwein light. Das nehme ich. Hallo! Ich möchte einen Glühwein light bitte."
Autor: "Würde ich auch nehmen."
Jan Weiler: "Zwei mal, bitte... Cheers, der schmeckt sogar relativ ok. Ich habe schon Glühweine getrunken, die waren wirklich schauderhaft – aber immer nur aus beruflichen Gründen, einfach um herauszufinden, ob da irgendwas ist, was man gebrauchen kann für die Arbeit."
(Kling-Kling der Glühweintassen)
Jan Weiler: "Frohe Weihnachten!"