Müll auf Musikfestivals

Wegwerfgesellschaft hoch drei

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Das Bild zeigt eine vermüllte Campingwiese mit alten Sofas, die nach einem Rockfestival in Bitterfeld zurückgelassen wurden.
Nach einem Rockfestival in Bitterfeld - und wer räumt jetzt auf? © imago images / Steffen Schellhorn
Von Imke Köhler · 20.06.2019
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Auf Musikfestivals in Großbritannien lässt inzwischen so gut wie jeder sein Zelt zurück. Denn die sind billig und die Musikfreunde bequem. Und auch auf deutschen Festivals werden riesige Berge von Müll produziert.
Die Partystimmung ist meistens gut – bis zum Abreisetag. Dann herrscht Katerstimmung – und zwar nicht nur bei denen, die zu viel getrunken haben, sondern regelmäßig auch bei Umweltschützern. Der Grund: Viele junge Leute schlafen in billigen Zelten – und lassen diese Zelte am Ende einfach stehen:
"Einer von fünf nimmt seine Sachen wieder mit nach Hause. Etwa 80 Prozent der Camper lassen ihre Sachen zurück."
Richard Storey ist Direktor von "Love Your Tent", eine Initiative, die für Nachhaltigkeit wirbt und Festivalbesucher ermuntern will, ihre Zelte wieder mitzunehmen. Viele tun es nicht – was unglaublich viel Plastikmüll verursacht.
Die Association of Independent Festivals schätzt, dass pro Festival-Saison in Großbritannien etwa 250.000 Zelte zurückgelassen werden – fast alle davon landen auf der Müllkippe.

Das Zelt kostet ja nur einen Zehner

Der Anblick der Campingwiese am Morgen danach ist tatsächlich schockierend. Die Masse an Zelten ist so groß, dass es gar nicht den Anschein hat, als wären die Besucher abgereist. Sam erklärt, wie er die Sache sieht:
"Du kaufst ein billiges Zelt und benutzt es einmal. Du zahlst einen Zehner, bringst es her und lässt es einfach hier. Wenn Du ein billiges Zelt kaufst, brauchst Du das nicht wieder mit nach Hause zu nehmen."
Angel und Molly sehen das ähnlich: Die beiden 18-jährigen Frauen haben ihr Zelt auch zurückgelassen. Sie will es nicht tragen müssen, sagt Angel und Molly ergänzt: "Das ist schwierig abzubauen. Lass es einfach da."
Inzwischen wird laut kritisiert, dass große Supermarktketten und Versandhändler das Campingzubehör zum Spottpreis anbieten. Damit ist es bequem, die Sachen zurückzulassen. Fürs nächste Festival werden sie einfach neu gekauft. Und dann kursiert auch noch der Mythos, dass zurückgelassene Zelte einem guten Zweck dienen. Auch Lucy glaubt das und findet insofern gar nichts dabei, wenn Zelte einfach stehen bleiben:
"Wohlfahrtsverbände sammeln die ein und verkaufen die weiter. Die säubern die und verkaufen die dann. Das ist eigentlich eine gute Sache."

Auch Schlafsäcke und Isomatten werden zurückgelassen

Das wäre schön, stimmt so aber nicht, wie Richard Storey von "Love your Tent" erklärt. Demnach sehen bei einem durchschnittlichen Festival mit knapp 30.000 Campern die Zahlen so aus:
"Sie haben vielleicht 15.000, 16.000 Zelte. Und dann gibt es einen lokalen Wohltätigkeitsverband, der vorbeikommt und Zelte aufsammelt. Wenn’s gut läuft, sind das 50. Was passiert mit dem Rest?"
Richard weiß es, und es frustriert ihn. Natürlich könnte man Zelte vor Ort mieten – aber das ist vielen Besuchern zu teuer. Tatsächlich sind es aber auch nicht nur die Zelte, die zurückgelassen werden. In jedem zweiten Zelt liegen noch Schlafsäcke, Luftmatratzen und Isomatten, vieles nagelneu – jetzt aber ein Fall für die Müllkippe.
Und so produzieren Musikfestivals bis auf Weiteres nicht nur jede Menge gute Laune, sondern auch jede Menge Plastikmüll.
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