Die Plage mit der Mücke

Was surrt denn da?

29:49 Minuten
Ein Mann trägt ein Mückennetz über dem Kopf und schaut Richtung Himmel. Er steht am Meer.
Insgesamt gibt es in Deutschland 28 Mückenfamilien mit mehreren Tausend Mückenarten - und die wenigsten davon stechen. © Getty Images / iStockphoto / wilpunt
Von Günther Wessel · 22.08.2023
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Sirren am Ohr, juckende Stiche, Überträger von Krankheiten - der Kampf gegen die Mücke ist vermutlich so alt wie die Menschheit. Aber was uns plagt, hat im großen Gefüge der Natur eine wichtige Rolle. Tun wir der Mücke womöglich unrecht? (Erstsendung: 25.08.2022)
„Ich mag ja wirklich jedes Tier / Außer vielleicht dieses hier / dieses Brummen, das Gesirre / macht mich irre, macht mich kirre“ - vier Zeilen von Judith Holofernes aus einem Wir sind Helden-Song, die viele sicher gut nachvollziehen können. Es geht natürlich um: die Mücke!
Aber Mücke ist nicht gleich Mücke. Insgesamt gibt es in Deutschland 28 Mückenfamilien mit mehreren Tausend Mückenarten. Die meisten gehören einer der 25 Familien an, die kein Blut saugen. „Wir haben flächendeckend in Deutschland zum Beispiel drei blutsaugende Mückenarten, das sind die Stechmücken zum einen, dann sind es die Kriebelmücken und auch die Gnitzen", weiß Doreen Werner vom Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung.

Nur die Weibchen stechen

Eines ist aber bei allen stechenden Mückenarten gleich: Nur die Weibchen stechen. Und sie müssen stechen. "Letztendlich brauchen die Mücken diese Blutmahlzeit, sie brauchen das Protein aus der Blutmahlzeit, um ihre eigenen Eier reifen lassen zu können. Das heißt, sie haben schon einen inneren Antrieb", sagt Doreen Werner.
Eine gemeine Stechmücke sitzt auf einer Wasseroberfläche in Bayer
Die gemeine Stechmücke - sie muss stechen, da sie das Protein aus der Blutmahlzeit braucht, um ihre Eier reifen lassen zu können.© picture alliance / blickwinkel / R. Sturm
Manche seien scheu und lassen sich kurzzeitig vertreiben. "Es gibt aber auch Mücken, die so wie kleine Kamikaze-Flieger sind“, sagt sie. „Die fliegen an, die hauen ihren Stechrüssel rein, die nehmen die Blutmahlzeit, die sind wieder weg." Das hängt von den unterschiedlichen Lebenszyklen der Mücken ab.
Und dann das Jucken! Denn mit dem Stich gibt die Mücke ein Sekret ab, das örtlich betäubt und die Blutgerinnung hemmt. Sie kann so besser Blut trinken, doch der Körper schüttet dann den Immunbotenstoff Histamin aus. Der erweitert die Gefäße, so dass Flüssigkeit ins Gewebe austritt. Der Stich wird rot, schwillt an und juckt.

Mit Mücken gegen Napoleons Truppen

Dass man den Einfluss von Mücken auf keinen Fall unterschätzen darf, weiß Bert Hoffmann, Politikwissenschaftler am German Institute of Global and Area Studies in Hamburg – und gibt ein Beispiel. Als sich Ende des 18. Jahrhunderts in der französischen Kolonie Haiti die Schwarzen gegen die Sklaverei auflehnten, war ihr Aufstand zunächst erfolgreich. Doch Napoleon versuchte die Sklaverei wieder einzuführen. Ab 1802 landeten 65.000 Soldaten und Seeleute auf der Insel.
"Und davon sind in der ersten Regenzeit 25 bis 35.000 gestorben. Die waren nicht mal ein Jahr auf der Insel und fast keine wegen Gefechten, sondern fast alle wegen Gelbfieber, und nach den zwei Jahren waren es 50 bis 55.000 Franzosen, also 80 bis 85 Prozent der riesengroßen französischen Armee, die ‚sant combat ni gloire‘, also ohne Schlacht und ohne Ruhm, in den Lazaretten gestorben sind."
Sie starben an Gelbfieber, übertragen durch Stechmücken. Die Folge: Frankreich zog sich weitgehend aus der Karibik zurück.

Britische Besatzer starben an Gelbfieber

Ähnlich war es den Briten 1742 ergangen, als sie versucht hatten, mit riesiger Übermacht Cartagena im heutigen Kolumbien zu erobern. Als die Regenzeit einsetzte und die Moskitos kamen, starben von 29.000 entsandten Soldaten 22.000 innerhalb von Wochen. Auch in Havanna auf Kuba scheiterte die britische Besetzung 1762, weil mehr britische Soldaten an Gelbfieber starben als bei Kampfhandlungen. So gaben sie die Stadt ein Jahr später an Spanien zurück.
Nicht nur in Lateinamerika griff die Mücke in Weltpolitik ein. Alexander der Große stoppte seinen Vormarsch nach Osten in Indien. Nicht weil ihm so viel Gegenwehr entgegentrat, sondern weil sein Heer und er selbst mit Krankheiten wie Malaria infiziert waren.

Menschengemachtes Mückenvorkommen

Dabei ist das Vorkommen von Mücken und Viren mitunter menschengemacht. Gelbfieber kam erst mit den Sklaventransporten aus Westafrika nach Lateinamerika. Mücken wanderten – besser gesagt sie reisten – mit um die Welt.
Asiatische bzw. tropische Tigermücke sitzt auf der Haut
Die asiatische Tigermücke gibt es inzwischen auch in Deutschland. Sie kann Krankheiten wie Chikungunyafieber, Denguefieber und das Zika-Virus übertragen.© picture alliance / blickwinkel / H. Bellmann / F. Hecke / H. Bellmann / F. Hecker
"Wir konnten 2011 das erste Mal flugfähige, also adulte Asiatische Tigermücken in Baden-Württemberg mit Fallensystemen nachweisen. Wir haben aktuell etablierte, also angesiedelte Population in den Bundesländern Bayern, Baden Württemberg, Hessen, Thüringen und seit letztem Jahr auch in Berlin."
Die asiatische Tigermücke kommt eigentlich in Südasien und Südostasien vor. Dass sie in Europa heimisch geworden ist, verdanken wir – so sagt es Insektenforscherin Doreen Werner – zum einen der Globalisierung, zum anderen dem Klimawandel mit seinen gestiegenen Temperaturen.

Risiko tropischer Krankheiten auch hier?

"Warum wir da so ein bisschen nervös werden ist, weil diese Mücke potenziell Dengue, Chikungunya und Zika übertragen kann", sagt Maylin Meincke, Epidemiologin am Landesgesundheitsamt Baden Württemberg. Ein bisschen nervös, sagt sie, ein bisschen. Nicht sehr.
"Für tropische Krankheiten hier in Deutschland braucht man erstmal Reise-Rückkehrer, die das Virus in sich tragen. Dann braucht man die Mücke, die das überhaupt aufnehmen kann und wo sich dann der Krankheitserreger vermehren kann. Dann muss diese Mücke, die diese Viren in sich trägt, jemanden anderen stechen."

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Das Risiko sei natürlich da, aber es werde keine riesigen Ausbrüche wie in Singapur oder Südostasien geben. Aber es könne zu vereinzelten Übertragungen und kleinen Ausbrüchen kommen, wie es sie jetzt schon gelegentlich in Südfrankreich, Italien oder Kroatien gegeben habe.

Unverzichtbar fürs Ökosystem

Verzichtbar sind Mücken nicht. „Sie sind extrem wichtig und in der Kombination zum Beispiel von den gesamten 28 Mücken-Familien würde ich sogar so weit gehen und sagen, die gesamten Ökosysteme würden zusammenbrechen, wenn wir keine Mücken mehr hätten", macht Doreen Werner klar.

Auch keine Stechmücken? „Auch keine Stechmücken. Sie übernehmen schon wirklich wichtige Funktionen und zum Teil kennen wir diese Funktion gar nicht. Wir haben jetzt Studien durchgeführt, die zum Beispiel auch zeigen, dass Stechmücken wesentlich an der Bestäubung beteiligt sind."

Autor: Günther Wessel
Sprecher und Sprecherin: Axel Wandtke und Birgitt Paul
Regie: Beatrix Ackers
Ton und Technik: Hermann Leppich
Redaktion: Martin Mair

Der Online-Text ist eine gekürzte Fassung des Features.
(Erstsendung: 25.08.2022)
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