Mosaik des Schmerzes
Aus der Distanz weniger Jahre schreibt Francisco Goldmann in "Sag ihren Namen" über den tödlichen Urlaubsunfall seiner jungen Frau. Die detaillierten Erinnerungen an das gemeinsam Erlebte setzt er mit Manuskripten der Toten zusammen - zu einem Text, der den Verlust verarbeitet.
Der Tod eines und gleich gar des geliebten Menschen gehört zu den schwierigsten Momenten, die ein Leben enthält. Es mag den Schmerz etwas relativieren, wenn dieses Ereignis am Ende eines langen und erfüllten gemeinsamen Lebensweges eintritt, aber gewiss ist das auch bloß nicht. In Francisco Goldmans Text ist die Konstellation ohnehin eine andere: Aura, die mexikanische Frau des amerikanischen (mit guatemaltekischen Wurzeln) Icherzählers Francisco, kommt bei einem grausigen Badeunfall während eines kurzen Urlaubs an der mexikanischen Pazifikküste ums Leben. Sie, Doktorandin in Literaturwissenschaft an der Columbia University in New York, ist gerade 30 Jahre alt geworden, er ist bereits in den 50ern, freier Journalist, Autor, Hochschullehrer. Zum Zeitpunkt des tödlichen Unfalls stand ihr zweiter Hochzeitstag bevor.
Dieser vernichtende Schlag für eine noch relativ junge Liebe, für eine offenkundig in höchsten Sphären des Glücks siedelnde Beziehung, stürzt den zurückbleibenden Francisco in einen tiefen Abgrund aus Schmerz, Verzweiflung, völliger Sinnentleertheit. Er schildert sich in solchen Szenen, in all diesen Alltäglichkeiten wie den Gängen zur Metrostation, dem Einkauf, dem quälenden Schlafen im gemeinsamen Bett in der Wohnung in Brooklyn – allein schon der Blick aus dem Fenster auf eine alte Frau reicht hin, um diese inneren Schmerzattacken auszulösen. Das Empfinden dieser Leerstelle wird auch für das Leben des Zurückbleibenden zur zerstörerischen Kraft mit einer Tendenz zur Auslöschung.
"Sag ihren Namen", hinter dieser Beschwörung könnte man ein zum Schwülstigen tendierendes Suhlen im eigenen Schmerz vermuten. Bei Francisco Goldman ist es jedoch die Formel, diese existenzielle Verzweiflung in etwas anderes zu verwandeln. In einen Text, der den Schmerz nicht nur nachzeichnet und ihm damit eine andere Gestalt gibt als diese innere Zerstörungsmaschinerie, der vielmehr der verlorenen Geliebten, ihrem gemeinsamen Leben und Lieben, aber sogar den familiären Hintergründen dieser beiden Leben gleichsam ein Denkmal setzt.
Dieser vernichtende Schlag für eine noch relativ junge Liebe, für eine offenkundig in höchsten Sphären des Glücks siedelnde Beziehung, stürzt den zurückbleibenden Francisco in einen tiefen Abgrund aus Schmerz, Verzweiflung, völliger Sinnentleertheit. Er schildert sich in solchen Szenen, in all diesen Alltäglichkeiten wie den Gängen zur Metrostation, dem Einkauf, dem quälenden Schlafen im gemeinsamen Bett in der Wohnung in Brooklyn – allein schon der Blick aus dem Fenster auf eine alte Frau reicht hin, um diese inneren Schmerzattacken auszulösen. Das Empfinden dieser Leerstelle wird auch für das Leben des Zurückbleibenden zur zerstörerischen Kraft mit einer Tendenz zur Auslöschung.
"Sag ihren Namen", hinter dieser Beschwörung könnte man ein zum Schwülstigen tendierendes Suhlen im eigenen Schmerz vermuten. Bei Francisco Goldman ist es jedoch die Formel, diese existenzielle Verzweiflung in etwas anderes zu verwandeln. In einen Text, der den Schmerz nicht nur nachzeichnet und ihm damit eine andere Gestalt gibt als diese innere Zerstörungsmaschinerie, der vielmehr der verlorenen Geliebten, ihrem gemeinsamen Leben und Lieben, aber sogar den familiären Hintergründen dieser beiden Leben gleichsam ein Denkmal setzt.
Erinnerungen, Tagebucheinträge, hinterlassene Fotos
Und so fließt in diesen Verarbeitungstext eine enorme Fülle von detaillierten Erinnerungen an das gemeinsam Erlebte ein bis hin zu Lektüren und Gesprächen darüber. Hinterlassene Tagebücher und Manuskripte der Toten, die im Begriff war, auch als Autorin in Erscheinung zu treten, werden zitiert. Sonstige Bestandteile des privaten Archivs wie Fotos und Briefe werden ebenso ausgebreitet wie alles Rekonstruierbare (aus Gesprächen) der familiären Situation der Toten, ihrer Beziehungen zur Mutter, zu einer Halbschwester, zu sonstigen Personen aus dem Umfeld. Bei alldem bringt der Autor natürlich auch seine Geschichte ein, wenn auch sparsamer. Dieses aus so unterschiedlichen und kleinteiligen Elementen geformte Mosaik erfordert ein enormes Geschick beim Erzählen. Francisco Goldman hat es sehr klar unter Beweis gestellt.
"Sag ihren Namen" ist ein ganz gewiss verstörender Tauchgang in die tiefsten Regionen des Schmerzes. Zugleich aber ist dieser Text ein literarisches Zeugnis dessen, wie man sich von dort wieder emporarbeiten kann.
Besprochen Gregor Ziolkowski
"Sag ihren Namen" ist ein ganz gewiss verstörender Tauchgang in die tiefsten Regionen des Schmerzes. Zugleich aber ist dieser Text ein literarisches Zeugnis dessen, wie man sich von dort wieder emporarbeiten kann.
Besprochen Gregor Ziolkowski
Francisco Goldman: Sag ihren Namen
Aus dem Englischen von Roberto de Hollanda
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2013
460 Seiten, 22,95 Euro
Aus dem Englischen von Roberto de Hollanda
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2013
460 Seiten, 22,95 Euro