Monique Schwitter: "Eins im Andern"

Schreibende Mutter in Bedrängnis

Eine Person tippt auf der Tastatur eines Laptop Computers.
Die Schriftstellerin in Monique Schwitters Roman googelt heimlich den Namen ihrer ersten Liebe. © imago / Jochen Tack
Von Meike Feßmann · 30.09.2015
Eine Schriftstellerin erinnert sich an ihre Liebhaber und wehrt die Gläubiger ab, während ihr Mann auf Spielsucht-Entzug ist. Die deutsch-schweizerische Autorin Monique Schwitter erzählt im Roman "Eins im Andren" bodenständig und raffiniert vom Kunststück, dort zu bleiben, wohin einen die Liebe verschlagen hat.
Mal aufgekratzt, mal melancholisch, gegen Ende auch tieftraurig, schickt uns dieser Roman auf eine Berg- und Talfahrt der Stimmungen. Während sie vor ihrem Mann Arbeit simuliert, googelt eine Schriftstellerin in der Schreibkrise den Namen ihrer ersten Liebe. Zu ihrem Schrecken erfährt sie, dass Petrus vor über vier Jahren gestorben ist. Er hat sich aus dem Fenster seiner Wohnung gestürzt.
Während sie sich daran erinnert, wie es ihr vor mehr als zwanzig Jahren erging, als sie mit dem groß gewachsenen Bohemien aus vermögendem Haus mal in den Schweizer Bergen, mal auf einem Landgut in Frankreich war, entfaltet sich der Stoff ihres neuen Romans wie von selbst. Die erste Liebe zieht die nächste nach sich. Die Liebhaber fügen sich zum Reigen. Da gibt es den auf Erfolg gepolten Jungschauspieler, den Kümmerer und Online-Dater, den schwulen Freund, den übergriffigen Professor.
Die Sparbücher der kleinen Söhne geplündert
Zwölf Kapitel sind es, so viel wie das Jahr Monate hat und Jesus Jünger. Die (fingierte) Schreibzeit dauert vom Januar bis zum Dezember 2013. Das wirkt zunächst arg konstruiert. Doch je weiter der Roman voranschreitet, desto mehr überzeugt die Raffinesse der 1972 in Zürich geborenen und seit zehn Jahren in Hamburg lebenden Autorin.
Konstruktion und Erzählung gehen nahtlos ineinander über. Der Leser wird Zeuge, wie ein guter Plan eine gute Ausführung nach sich zieht und also (literarische) Wirklichkeit erzeugt. "Mach dir einen Plan, dann klappt das auch", sagt der Mann der Erzählerin, auch wenn er nicht unbedingt der richtige Gewährsmann ist. Philipp arbeitet als Techniker am Theater und zeichnet sich durch wunderbares Gottvertrauen aus. Aber er ist auch ein Spieler. Das Ausmaß seiner Spielsucht erfährt sie erst mit der Zeit. Während er auf Entziehungskur ist, hält sie die Gläubiger in Schach. Selbst Nachbarn im Mietshaus hat er angepumpt, die Sparbücher der beiden kleinen Söhne geplündert.
Der früh verstorbene Bruder als Vorbild jeder Näheerfahrung
"Eins im Andern" erzählt von einer schreibenden Mutter in Bedrängnis, wie jüngst auch Gertraud Klemms "Aberland" und Anke Stellings "Bodentiefe Fenster". Monique Schwitter ist eine Meisterin des Münchhausen-Effekts. Als die Sache mit den zwölf Liebhabern nicht hinhaut, findet die Erzählerin stillschweigend Tricks, wie sie die Lücken füllen kann. Mal wird Petrus durch einen gewissen Simon ergänzt und das zunächst als Paar geschilderte Duo zum Dreieck erweitert, mal wird ein Liebhaber nächtlich erträumt und spukt als erfundene Figur durch ihre Heimatstadt Zürich. Am Ende erweist sich der früh verstorbene jüngere Bruder als Vorbild jeder Näheerfahrung. Er ist das namenlose "Du", mit dem das erzählende "Ich" im Dialog steht.
"Eins im Andern" ist persönliche Schöpfungsgeschichte und Thanatologie in einem. Der Heilige Christopherus ist sein Emblem, die Hündin zu Füßen der Schreibenden sein leibhaftiges Unterpfand, Beckett und Giacometti seine Säulenheiligen. Gleichermaßen bodenständig wie raffiniert, erzählt der nur scheinbar verspielte Roman vom "Kommen und Gehen" - und auch vom Kunststück, dort zu bleiben, wohin einen die Liebe verschlagen hat.

Monique Schwitter: Eins im Andern
Literaturverlag Droschl, Graz und Wien 2015
232 Seiten, 19,00 Euro

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