Monica Hesse: „Zeit der Lügen“

Eine Geschichte von Freundschaft und Verrat

05:57 Minuten
Buchcover „Zeit der Lügen“ von Monica Hesse
© cbt / Penguin Random House

Monica Hesse

Aus dem amerikanischen Englisch von Cornelia Stoll

Zeit der Lügencbt, München 2022

395 Seiten

10,00 Euro

Von Sylvia Schwab · 25.03.2022
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Für „Das Mädchen im blauen Mantel“ war die Amerikanerin Monica Hesse 2019 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. In ihrem neuen Buch erzählt sie von Misstrauen, Krieg und den Folgen. Hochaktuell.
"Chrystal City" ist ein US-amerikanisches Camp. Hier werden - wir sind im Jahr 1944 - Deutsche und Japaner, obwohl sie US-Bürgerinnen und -Bürger sind, während des Zweiten Weltkriegs interniert, weil man sie der Spionage verdächtigt.
Dieses Lager in Texas hat es wirklich gegeben, und dort setzt die Handung des Romans "Zeit der Lügen" ein. Autorin Monica Hesse hat sehr sorgfältig recherchiert, um Hintergrund und Einzelschicksale ihrer fiktiven Geschichte so authentisch wie möglich zu gestalten.
Margot und Haruko, 16 und 17 Jahre alt und Töchter deutscher bezierhungsweise japanischer Eltern, lernen sich per Zufall kennen, denn eigentlich sind ihre Lagerwelten streng getrennt. In wenigen Wochen entwickelt sich eine intensive Freundschaft, die sie nach außen geheim halten.

Eine geheime Freundschaft

Trotz ihrer Unterschiedlichkeit – Margot ist ruhig und reflektiert, Haruko eher stürmisch –vertrauen sie einander ihre Ängste und Wünsche, ihre schönen und traurigen Erinnerungen an. Ganz leise schleicht sich auch eine erotische Komponente in ihre Freundschaft.
Aber alles zerbricht auf dramatische Weise: an den schwierigen Umständen, fehlender Offenheit und der komplizierten politischen Gemengelage, die auch im Lager alle Beziehungen beherrscht. Abwechselnd erzählen die Mädchen von diesen hochemotionalen Wochen.

Zwei Erzählstimmen

Sprachlich voneinander zu unterscheiden sind die beiden Erzählerinnen nicht, ihr unterschiedliches Temperament drückt sich nur in ihrem Verhalten aus, nicht in ihrem Ton. Verwirrend sind dazu kurze, kursive Kommentare, die einzelnen Kapiteln vorangestellt sind und den Erzählfluss mit Rückblenden aus der Zukunft unterbrechen.
Sie deuten das tragische Ende der Freundschaft pathetisch an und bauen Spannung auf, behaupten aber auch Dinge, die die Erzählerinnen gar nicht wissen können.  
Der Titel „Zeit der Lügen“ ist doppelt zu verstehen. Er spielt auf die allgemeine politische Situation an, den Krieg in Europa, die auf Denunziation beruhende Internierung und die Lebenslügen vieler Häftlinge.
Ganz direkt bezieht er sich aber auf die Freundschaft der beiden Mädchen. Diese beruht auf Zuneigung und Vertrauen und ist doch nicht ganz ehrlich, weil die beiden vieles verschweigen, um sich selbst, ihre Familie oder auch die Freundin zu schonen. Das Ende ist doppelt tragisch, weil beide Familien ausreisen, jeweils in den Krieg in ihrem Herkunftsland.

Verrat und Lebenslügen

Im Mittelpunkt des Romans steht damit die Frage nach der Wahrheit des eigenen Lebens. „Wir erzählen immer die Version, von der wir uns wünschen, dass sie wahr wäre“, meint Margot einmal. Das Gedächtnis kann und will sich täuschen, gerade in schwierigen Zeiten gibt es unzählige Gründe und Möglichkeiten, Fakten und Verhaltensweisen nachträglich zu verändern.
Obwohl vor rund 80 Jahren angesiedelt ist „Zeit der Lügen“ heute hochaktuell: Selten war uns der Krieg so nah, die Frage nach dem Verhältnis von Staat und Immigranten, nach Schuld, Misstrauen, Verrat und Lebenslügen. Monica Hesses Roman ist kein literarisches Schwergewicht, aber ein spannender und interessanter Jugendroman.

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