Moderner Gladiatorensport

Mit der Waffe auf die Zwölf

05:37 Minuten
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Traditionsbewusste Sportler: die Gladiatores Berolinenses. © Gladiatores Berolinenses
Von Peter Kaiser · 19.04.2020
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Knapp 800 Jahre lang begeisterten Gladiatorenspiele die Massen im alten Rom. Manche pflegen die Tradition der Gladiatoren auch heute noch – allerdings nicht immer historisch korrekt, vor allem was die Achtung von Menschenleben angeht.
Freitagabend in der Bruno-Gehrke-Sporthalle in Berlin-Spandau. Die zwei Frauen und sechs Männer der Berliner Gladiatorenschule "Gladiatores Berolinenses" balancieren über den Längsbalken einer umgedrehten Holzbank. In den Händen halten sie Schwerter, Gladius genannt, sowie ein jeweils unterschiedlich großes Scutum, ein Schild. Auf den Köpfen tragen die Gladiatorinnen und Gladiatoren Helme, denn das Training ist Teil der Gladiatur, des antiken altrömischen Sportfechtens.
Knapp 800 Jahre lang waren die Gladiatoren, die antiken Berufskämpfer, Bestandteil des römischen Lebens. Doch auch heute noch gibt es Männer und Frauen, die den Gladiatoren von einst nacheifern. Daniel-Martin Rosenblender von den "Gladiatores Berolinenses":
"Gladiatur ist bewaffneter Vollkontakt-Sport. Gladiatur ist in dem Punkt spannend, dass man sieht, mit wie wenig Ausrüstung, nämlich das technische Minimum an Ausrüstung, man einen Kampf bestehen kann, ohne sich dabei umzubringen."

Acht verschiedene Gattungen

Gladiator war und ist nicht gleich Gladiator, sagt Daniel-Martin Rosenblender. Denn: "Das ist eins der Recherchethemen unserer Schule. Nämlich welcher Gladiator hat welche Ausrüstung? Ich selber kämpfe als Provokator, das ist eine schwergerüstete Gladiatorenklasse, die trägt eine Beinschiene am linken Bein, ein großes Legionärsschild, ein Scutum, ein Gladius, daher der Name Gladiator, ein Helm, eine Brustplatte."
Sechs Personen sehen mit Schildern, Schwert, Helmen und Beinschienen aus wie Gladiatoren.
Schild, Schwert, Helm und Beinschiene gehören mit zur Ausrüstung der Gladiatoren.© Gladiatores Berolinenses
Damals wie heute gibt es Gladiatoren in acht verschiedene Gattungen. Erkennbar ist jede an ihrer jeweiligen Ausrüstung. So trägt die Gattung Retiarius Dreizack, Schwert, Metz und Kurzschwert. Ein Retarius ist nur mit einem Schulterschild geschützt, sonst nicht. Doch es gibt noch Mormulonen und Secutoren. "Die haben sehr ähnliche Ausrüstungen, Helm, kurze Beinschiene, Helm und Gladius. Dann haben wir den Hoplomachus: eine sehr interessante Klasse, weil er mit einem Kurzspeer, mit einem Schwert, mit einem Schild arbeitet – und kniehohe Beinschienen als Schutzausrüstung hat, dabei ein sehr kleines Schild."
Außerdem gibt es noch Samnit: mit Schild, Schwert, Helm und Beinschiene. Und Thraker: mit der ungefähr gleichen Ausrüstung.

Mehr als nur gelebte Geschichte

Es geht darum, den Sport zu rekonstruieren und damit auch die Ausrüstung. Letztlich wird die Gladiatur dann dargestellt. Was bedeutet das? "Das heißt, wir versuchen etwas darzustellen, was aussieht wie ein Gladiator der Antike. Und wir benutzen dazu Darstellungen, nämlich zum Beispiel: In Deutschland gibt es im Trierer Raum einige Gladiatorendarstellungen, Mosaike, Reliefs, und diese Darstellungen benutzen wir, um unsere Ausrüstung zu rekonstruieren. Das Faszinierende ist es, eine Kampfkunst zu studieren, die einfach 2000 Jahre tot ist."
Drei Männer stehen auf einer Wiese und ertüchtigen sich körperlich. Im Hintergrund sind Zelte aufgestellt.
Auch Gladiatoren müssen sich vor dem Sport dehnen.© Gladiatores Berolinenses
Ist der Gladiatorenkampf Living History, also gelebte Geschichte? "Living History ist ein Begriff, aber wir distanzieren uns davon, weil wir bewusst Abweichungen in Kauf nehmen. Deswegen ist es unserer Meinung nach keine Living History oder Living Archeology, sondern: Wir tragen Tiefschutz, und auch die Frauen tragen Brustschutz, was historisch nicht korrekt ist. Es war durchaus gewollt, dass man an diesen Stellen getroffen wird und auch entsprechende Verletzungen hat."

Auch Frauen kämpfen mit

Bereits im antiken Rom gab es Gladiatorinnen, doch die waren eher verpönt, "weil es in der Gladiatur darum ging, die römischen Tugenden darzustellen, und die römische Gesellschaft war männlich geprägt".
Drei Personen stecken in Rüstungen und halten Waffen in der Hand.
Bei der Ausrüstung orientieren sich die Gladiatoren an alten Darstellungen aus der Römerzeit.© Gladiatores Berolinenses
Bei den Gladiatores Berolinenses trainieren auch Frauen wie etwa Lucie. Sie fühlt sich bei dieser rauen Sportart recht wohl. "Mit der Waffe auf die Zwölf macht Spaß. Man merkt im Kampf auf eine ganz andere Weise, wozu man selber in der Lage ist."

Treffer an ungeschützten Körperstellen

Dann wird gekämpft. Mann gegen Mann, Frau gegen Frau, Frau gegen Mann. Wird ein Schaukampf vor Publikum ausgetragen, entscheiden drei Treffer an ungeschützten Körperstellen über Sieg oder Niederlage. Bei einem Trainingskampf hebt einer der beiden Kämpfer den rechten Arm, streckt den Zeigefinger aus, und ruft: "Missio" – "Ich gebe auf". Mehrere Stunden dauert das Training.
Man fragt sich, wie das wohl vor 2000 Jahren beim Gladiatorentraining gewesen war. Diese besondere Atmosphäre, sagt Gregor Barth, ist bei den Auftritten vor Publikum noch stärker zu spüren: "Wenn das Publikum entsprechend anfeuert, wenn die Stimmung da ist, dann habe ich ein bisschen das Gefühl gelebter Geschichte."
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