Mit scharfem Ton gegen den Westen

Rezensiert von Jan Kuhlmann · 01.01.2013
Bahman Nirumand, Autor mit iranischen Wurzeln, vertritt die These, dass westliche Regierungen niemals eine Strategie der Demokratisierung im Nahen Osten verfolgt hätten. In seinem zweiten Buch denkt er darüber nach, dass sowohl Israel als auch der Iran ihre Feindschaft künstlich hochschrauben, um von innenpolitischen Problemen abzulenken.
Wenn zwei von Demokratie sprechen, können sie darunter sehr Unterschiedliches verstehen. Der Westen etwa verbindet mit Demokratie Frieden, Wohlstand und Freiheit. Bei vielen Muslimen im Nahen Osten schwingt bei dem Wort dagegen etwas ganz anderes mit.

Es waren demokratische Staaten, die die Region einst erobert und unter sich aufgeteilt haben. Es waren demokratische Staaten, die später die Diktatoren dort umgarnten; oder die 2003 ohne völkerrechtliches Mandat im Irak einmarschierten. Der Westen behauptete damals, er wolle die Demokratie verbreiten.

Tatsächlich aber, schreibt der iranisch-stämmige Autor Bahman Nirumand, basierte der Krieg auf Lügen. Westliche Regierungen hätten nie ernsthaft eine Strategie der Demokratisierung in der Region verfolgt, poltert er in seinem Buch "Menschenrechte als Alibi".

"Das zeigt auch die Logik, die den Beziehungen des Westens zu diesen Staaten innewohnt. Diese lautet ganz simpel ausgedrückt: Demokratische Strukturen in Staaten des Nahen und Mittleren Ostens stehen in krassem Gegensatz zu den ökonomischen und geopolitischen Interessen des Westens."

Es ist ein Essay mit scharfem Ton gegen den Westen, den Nirumand da verfasst hat – Abwägen ist seine Sache nicht. An der Politik vor allem der USA, aber auch Europas gegenüber der arabischen Welt und dem Iran lässt er kein einziges gutes Haar.

Der Westen predige Demokratie und Menschenrechte, verstoße aber permanent rücksichtslos gegen die eigenen Ideale. Beispiele findet er viele. Etwa in Afghanistan, wo Washington Hand in Hand mit Saudi-Arabien die radikal-religiösen Kräfte hochpäppelte, um Moskau zu schaden.

"So – und nur so – konnte Afghanistan zur Brutstätte des islamischen Terrorismus werden. Hier konnten all die Bin Ladens und Scheich Omars mit amerikanischen Waffen und Dollars sowie großzügigen Spenden aus Saudi-Arabien in aller Ruhe ihre Netzwerke aufbauen und sie später international ausweiten. Damit wurde Afghanistan zum (…) Bollwerk des islamischen Terrorismus."

Voller Wut blickt Nirumand auch auf den Atomkonflikt mit dem Iran. Der Publizist, im Iran geboren, ist völlig unverdächtig, ein Anhänger von Mahmud Ahmadinedschad zu sein, dem irren Präsidenten aus Teheran. Trotzdem bringt Nirumand einiges Verständnis für die iranische Atompolitik auf.

"Iran ist völlig umzingelt von amerikanischen Stützpunkten und Streitkräften. Wenn man also bedenkt, dass Washington aus seiner Absicht, im Iran einen Regimewechsel herbeizuführen, keinen Hehl machte, kann es niemanden verwundern, dass sich die Ayatollahs in Teheran bedroht fühlen und entsprechende Schutzmaßnahmen treffen wollten."

Um Demokratie, ätzt er weiter, gehe es dem Westen auch im Falle des Iran nicht. Auch nicht darum, das Land am Bau der Atombombe zu hindern. Wenn aber ein Regimewechsel das Ziel ist: dann sei das allein Sache der Iraner selbst. Wohl wahr.

Die Politik des Westens, sie könnte fatale Folgen haben: einen Krieg zwischen dem Iran und Israel. In einem zweiten Band, der ebenfalls gerade erschienen ist, beleuchtet Bahman Nirumand den Konflikt genauer. "Iran. Israel. Krieg" lautet der Titel des schmalen Buches.

Den Regierungen in Teheran und Tel Aviv komme die Krise gelegen. Der Iran spiele sich als Schutzmacht der Palästinenser auf und leugne den Holocaust, Israel wiederum dämonisiere den Iran:

"Die Vermutung liegt nahe, dass beide Staaten, sowohl Iran als auch Israel, die gegenseitige Feindschaft künstlich hochschrauben, um Ziele zu verfolgen, die eigentlich weder mit dem Atomkonflikt noch mit dem Holocaust oder mit der Besetzung palästinensischer Gebiete durch Israel zu tun haben. Beide versuchen von den eigenen Problemen abzulenken, die kaum zu bewältigen sind."

Und deren Probleme sind in der Tat gewaltig. Das Regime Ahmandinedschads hat tiefe Risse bekommen, weil es die Legitimation bei der Mehrheit der Iraner verloren hat. Israel wiederum, so Nirumand, sei in der Region isoliert – was der jüdische Staat selbst zu verantworten habe:

"Wo aber liegen die Gefahren für die Existenz Israels? Meiner Überzeugung nach darin, dass Israel nicht den Versuch unternommen hat, sich als gleichberechtigter Partner neben anderen Staaten, auch neben einem palästinensischen Staat, zu verhalten und sich politisch, wirtschaftlich und kulturell in die Region einzubetten.

Israel beansprucht für sich stets eine Sonderstellung, eine Monopolstellung als ein Brückenkopf des Westens in der Region."


Nirumand wirft Israel vor, überhaupt keinen Frieden in der Region zu wollen. Vielmehr habe es seine Interessen immer militärisch durchgesetzt – und so eine Gewaltspirale in der Region erzeugt. Von israelischem Staatsterror gegen die Palästinenser spricht er sogar.

Man mag gegen beide Bücher einwenden, dass sie einseitig sind. Aber es ist nicht die Aufgabe solcher Essays, die Grautöne kräftig auszumalen. Bahman Nirumand bezieht mit scharfem Verstand und zugespitztem Ton eindeutig Stellung. Das ist vor allem deswegen verdienstvoll, weil er sich gegen die große Erzählung stemmt, wonach der "zivilisierte" Westen zum Wohle der "rückständigen" arabisch-islamischen Welt kämpft.

Nicht alles, aber vieles, was in der Region falsch läuft, hat der Westen mit zu verantworten – das ist Nirumands unbequeme Botschaft. Der Westen müsse seine Nahostpolitik endlich glaubwürdig gestalten, fordert der Publizist.

"Wenn es nicht bald gelingt, Vernunft und Sachlichkeit durchzusetzen und die Politik statt auf zügellose Profitmaximierung auf den Grundsatz 'Die Würde des Menschen ist unantastbar' zu lenken, dann wird eine Konfrontation mit verheerenden Folgen nicht zu vermeiden sein.

Der Westen muss (...) endlich einsehen, dass die Zeit des Kolonialismus längst vorbei ist. Er muss die Länder außerhalb der westlichen Hemisphäre als gleichberechtigte Partner akzeptieren und (…) nicht nur verbal jene Werte und Prinzipien vertreten, die er für sich in Anspruch nimmt."


Sollte das passieren, könnte auch der Begriff Demokratie in der arabisch-islamischen Welt eine viel positivere Bedeutung bekommen. Das jedenfalls würde der dortigen Demokratiebewegung mehr helfen als jeder militärische Feldzug.

Bahman Nirumand: Menschenrechte als Alibi - Die Nahostpolitik des Westens muss glaubwürdig werden
Edition Körberstiftung, Hamburg 2012

Bahman Nirumand: Iran. Israel. Krieg. - Der Funke zum Flächenbrand
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2012
Cover: "Menschenrechte als Alibi" von Bahman Nirumand
Cover: "Menschenrechte als Alibi" von Bahman Nirumand© Edition Körberstiftung
Cover. "Iran Israel Krieg" von Bahman Nirumand
Cover. "Iran Israel Krieg" von Bahman Nirumand© Verlag Klaus Wagenbach