Mit Humor am Deutschsein kratzen

Von Katja Bigalke |
Galt alles Deutschtümelnde früher als spießig und provinziell, so haben Designer in der Ausstellung "jung und deutsch" die Symbole umgewertet. Sie zeigen röhrende Hirsche, bestickte Schürzen oder ein Fertighaus aus Spanholzplatten. Im Oktober ist die Schau im Rahmen des Deutschlandjahres in Tokyo zu sehen.
" Diese ganzen deutschen Symbole: schwarz-rot-gold, der Adler, das ist alles negativ behaftet und steht für die rechte Szene. Man nimmt denen, wenn man sich mit solchen Themen beschäftigt, den Wind aus den Segeln: Also, das ist dann, dass man den Leuten das Forum Deutschland gar nicht mehr überlässt."

" Ich hatte Deutschland verlassen, weil ich es grau und langweilig fand, und dann hab ich gemerkt: Ist gar nicht so grau, hat sich viel verändert: Vieles find ich sogar ganz gut, modern und liberal, du dann hatte ich Lust, mich damit zu versöhnen."

" Es gibt die Tendenz zu Auseinandersetzung mit deutscher Vergangenheit, und dann auch traditionelles Interesse an Industrie und Technik. "

Deutsche Designer entdecken die Heimat. Da röhrt ein Hirsch, da blitzt - sehr sexy – ein Spitzendeckchen unter dem Lodenrock hervor. Was ist bloß los? Alles nur entfernt Deutschtümelnde galt doch früher als spießig und provinziell.


" Modedesigner sind ja immer sehr pragmatisch. Die müssen auch immer was Neues machen – und da gibt es eben ne Menge zeitloser Vorbilder, die wieder aufgegriffen werden: Die Zimmermannhose oder die Lederhose bei Sisi Wasabi. Das hat einen pragmatischen Hintergrund. Nichts Nationalistisches."

… sagt Mateo Kries, und der muss es wissen. Schließlich eröffnet der Kurator der Ausstellung "jung und deutsch" Ende nächste Woche auch in Japan seine Designwerkschau aus Deutschland. Von Anknüpfungen ans Bauhaus Design über den Versuch, Tradition mit High-tech zu verbinden bis hin zum Griff in die deutsche Nationalkiste – die ausgestellten Designer haben eines gemein:

" Das ist die Generation, die in der Nachwendezeit künstlerisch sozialisiert wurde. Themen dieser Designer sind dann Fragen wie – was passiert in Ostdeutschland, wie wachsen beide Teile zusammen. Das führt dazu, dass sie sich irgendwie mit diesen Themen auseinander setzen wollen: in Manufakturtraditionen oder Motiven. Das zeigt doch, dass Auseinandersetzungen in Deutschland ins künstlerische Unterbewusstsein gesickert sind."

Das deutsche Stilelement ist nicht mehr tabu. Mit bedruckten Armeejacken und altdeutsch bestickten Schürzen nähert sich dem Thema das international sehr angesagte Designerkollektiv "Mägde und Knechte".

" Hier "Jeder Mensch ist sein eigenes Land in schwarz-rot-gold" oder "Kraut" mit Bundesadler. (…) Das sind halt alte Sachen umgearbeitet und recycelt mit gutem Inhalt. Die schlechte Sachen, die negativ bewertet werden, aufgewertet mit Texten, die Menschen zum nachdenken bewegen. "

Deutsche Debatten zum Anziehen. Im kommentierten Deutschlandfummel steckt ein kritischer Geist. Im unkommentierten ein demütiger – das hofft zumindest Eva Gronbach:

" Was ich halt merke in mir und in meiner Generation ist, dass wir - denke ich - doch eine starke Vergangenheitsbewältigung bearbeitet haben. Ich sehe es als Gesundungsprozess. Dass man eben auch völlig plakativ die einzelnen Symbole wie die Fahne nehmen kann, um sie zu diskutieren. Warum kann man nicht einen Schritt weitergehen und sagen, aus der Demut lernen, in Verantwortung Spaß am Deutschsein haben? "

Über den Umweg Europa hat die 33-jährige Designerin ihr Lifestyle-Bekenntnis zu Deutschland mit an den Rhein gebracht. Nach plakativen schwarz-rot-gelb Kollektionen greift sie jetzt - nur noch ganz dezent - zum Adler-Emblem. Gronbach findet ihre Arbeit zeitgemäßen Punk:

" Es ist ne Besetzung von Symbolen – wenn ich meine Sachen in Japan verkaufe, dann denken die, wenn die den Adler sehen, an Eva Gronbach. Das ist, was die Punks mit dem Union Jack in England gemacht haben. "

Also doch keine Identitätssuche: Nach den Retrowellen der 90er, die jede Verbindung zur Historie weichgespült haben, nun eben ein Zitat deutscher Nationalgeschichte. Warum auch nicht, ist die etwas matte Haltung – Deutschland ist doch ganz okay.

Redesign Deutschland geht da einen Schritt weiter: Das Kollektiv setzt eher auf die radikal-reformerischen Traditionen des Landes:

" Wir nein sein interessieren in deutsch design. Design sein ein teil von Gesellschaftbereich, das wir wollen reformieren. desgin sein ein mittel zu reform. "

Redesign Deutschland betreibt die Vereinfachung von Sprache, Möbeln, Zeit und Steuern.

" Weil wir leben in Deutschland und nein sein zufrieden mit Zustand. Vorgenommen zu ändern. Zu viel Regeln zu viel Bürokratie müssen einfach sein. (…) wir haben entwickeln ein Grammatik das sein erlernbar in zehn Stundes für all Menschs egal von welcher Nationalität anwendbar auf alles Sprachs der Welt. (…) einfachst lösung sein gutst lösung. "

Bei der Ausstellung "jung und deutsch" wird redesign Deustchland ein Fertighaus aus Spanholzplatten präsentieren:

" hausbau eins: erfüllen wunsch von eigenen vier wands: 2 mal 2 mal 2 meters drei hockers ein tisch en monitor und dies haus sein sehr klein aber sein bezahlbar für all mensch. "

Das Interview zum Thema mit dem Geschäftsführer der Berliner Standortmarketing-Agentur "Scholz & Friends", Sebastian Turner, der für einen mutigeren Umgang mit der Herkunftsbezeichnung "deutsch" plädiert, können Sie in der rechten Spalte als Audio hören.

Service:

Die Ausstellung "jung und deutsch" ist vom 6. bis 23. Oktober 2005 im Rahmen des Deutschlandjahres 2005 / 2006 in Tokyo zu sehen.
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