Milliardäre im Weltraum

Die drei asozialen Raketenmänner

04:14 Minuten
Der erste bemannte Flug der New Shepard startet am 20.7.2021 in Van Horn, Texas, USA.
Start der New-Shepard-Rakete mit Jeff Bezos an Bord: Etwa 100.000 Kilogramm Kerosin wurden bei dem Ausflug ins All verballert, kritisiert Harald Welzer. © picture alliance / ZUMAPRESS.com / Blue Origin
Ein Einwurf von Harald Welzer · 27.07.2021
Audio herunterladen
Bezos, Branson, Musk: Das All ist Schauplatz eines Wettstreites der Megareichen. Dabei geht es nicht nur um riesige Egos und Geschäftsinteressen, sondern auch darum, den eigenen Müll einfach woanders abzuladen, höhnt der Sozialpsychologe Harald Welzer.
CO2-Bilanzen scheinen immer interessant, etwa wenn es um den Flug in den Urlaub oder das nächste Auto geht. Merkwürdigerweise redet niemand vom CO2, wenn militärische Manöver abgehalten, Flugzeugträger eingeweiht oder Luftangriffe geflogen werden. Und auch nicht, wenn sich asoziale Milliardäre ins All schießen lassen.
(*)

Stahlproduktion in den Weltraum auslagern?

Gegenwärtig sind es gleich drei Milliardäre, die sich wie in einer alten Dagobert-Duck-Geschichte Konkurrenz bei der Eroberung des Weltalls machen, und auch wenn diese alten weißen Männer sich im Augenblick der Schwerelosigkeit ganz gerührt filmen und posten lassen, geht es hier nicht um kostspielige Freizeitgestaltung, sondern natürlich um kommerzielle Interessen.
Während der notorische Elon Musk den Blick in die Sterne durch Tausende kleiner Satelliten ruinieren möchte, will Virgin-Gründer Branson endlich coolen Weltraumtourismus möglich machen und Jeff Bezos auch industrielle Produktionen, etwa von Stahl, ins Universum auslagern.
In einem Gespräch mit Springer-Chef Mathias Döpfner hat er schon vor einigen Jahren erzählt, warum: Er sieht, wie er sagt, in der Eroberung des Weltraums die einzige Möglichkeit, eine "Zivilisation des Stillstands" zu vermeiden.

Die Welt wie jetzt, nur größer!

Warum? Weil die Menge an Energie, die die Menschen verbrauchen, von Jahr zu Jahr wächst, und die Erde nicht genug Platz für die Solarzellen hat, die man bräuchte, um da mitzuhalten. Aber, so der reichste Mann der Welt im Gespräch mit Döpfner, das "Sonnensystem kann problemlos eine Billion Menschen aufnehmen" und mit unendlichen Mengen Energie ausstatten!
Man sieht schon vor seinem inneren Auge, wie da draußen auf dem Mars die Stahlfabriken kochen und zwischen den Sternen unseres Sonnensystems lauter Amazon-Paket-Raketen umherfliegen, damit diese Billion Menschen mit Warp-Geschwindigkeit elektrische Zahnbürsten mit Atomantrieb zugestellt bekommen. Die Welt wie jetzt, nur größer!
Aber Jeff Bezos denkt noch viel weiter: "Und wenn wir eine Billion Menschen hätten, hätten wir tausend Einsteins und tausend Mozarts und unbegrenzte Ressourcen und unbegrenzte Sonnenenergie für alle praktischen Belange und alle praktischen Zwecke." Warum gibt es heute sowenig Mozarts? Ganz einfach. Zu wenig Menschen! Man muss schon ausnahmegenial sein, um auf so etwas zu kommen.

Das zerstörerische Projekt Externalisierung

Trotzdem muss man die Sache ernstnehmen, weil er und seine zwei Konkurrenzmilliardäre eben alle Mittel haben, ein Projekt fortzusetzen, dass uns gerade in aller Deutlichkeit demonstriert, wie zerstörerisch es ist.
Dieses Projekt heißt Externalisierung: Seit der Industrialisierung und dem Aufkommen des modernen Wachstumskapitalismus ist sein Prinzip, sich Rohstoffe von überallher anzueignen, in Güter zu verwandeln und die damit anfallenden Müll- und Emissionsmengen nach überallhin zu entsorgen.
Das hat alle der Allgemeinheit gehörenden Naturräume – also die Böden, die Wälder, die Meere und Flüsse und die Atmosphäre – bereits stark zerstört, was wir jetzt in Gestalt von Klimawandel, Artensterben, Plastikstrudel im Meer und so weiter quittiert bekommen. Statt ihren obszönen Reichtum nun für die Bekämpfung solcher Menschheitsprobleme einzusetzen, machen sich die drei Milliardäre auf, sich den nächsten Raum zum Externalisieren anzueignen.
Das ist nicht nur grotesk und verantwortungslos, sondern ein Umweltverbrechen. Gerade hat das französische Parlament Umweltverbrechen als Straftatbestand mit Namen Ökozid definiert, was mit zehn Jahren Haft bestraft werden kann. Leider gilt das nicht international.

Der Soziologe und Sozialpsychologe Harald Welzer (*1958) lehrt seit 2012 als Honorarprofessor Transformationsdesign an der Europa-Universität Flensburg. Daneben lehrte er als Gastprofessor an anderen Hochschulen, so etwa als ständiger Gastprofessor für Sozialpsychologie an der Universität Sankt Gallen. Welzer ist Mitbegründer der gemeinnützigen "Futurzwei Stiftung Zukunftsfähigkeit", die alternative Lebensstile und Wirtschaftsformen bekanntmachen und fördern will. Durch seine zahlreichen Publikationen und Medienauftritte ist er einem breiten Publikum bekannt.

Porträt des Soziologen Harald Welzer, 2019
© picture alliance / dpa/ Horst Galuschka

(*)"Wir haben einen Absatz gelöscht. Anders als zuvor geschrieben wird Jeff Bezos’ Rakete mit einer Mischung aus Wasserstoff und Sauerstoff angetrieben. Bei der Herstellung von Flüssigtreibstoff dieser Art wird allerdings ebenfalls CO2 frei."
Mehr zum Thema