Miku Sophie Kühmel: "Triskele"

Drei Schwestern finden sich wieder

06:58 Minuten
Cover von Miku Sophie Kühmel "Triskele"
© Fischer / Deutschlandradio

Miku Sophie Kühmel

TriskeleFischer, Frankfurt am Main 2022

269 Seiten

23,00 Euro

Von Ursula März · 20.08.2022
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Nach dem Suizid ihrer Mutter müssen Mercedes, Mira und Matea den Haushalt auflösen. Die Schwestern haben sich zunächst wenig zu sagen. Doch in der Trauer finden sie wieder zusammen - ein origineller Familienroman, allerdings in zu starrem Konzept.
Sie sind ein Urmythos. Sie treten in den Sagen der Antike, in einem berühmten Drama von Anton Tschechow, einem Märchen der Brüder Grimm und nicht zuletzt in der Fernsehserie „Kudamm 56“ auf: die drei Schwestern. Kaum eine andere Figurenkonstellation hat sich in der Kulturgeschichte so bewährt.
Miku Sophie Kühmel, die 2019 mit ihrem Debütroman „Kintsugi“ einen Überraschungserfolg feierte, hat das Schwesterntrio für ihren zweiten Roman „Triskele“ aktualisiert. Man darf annehmen, dass sie dabei auf eigene Erfahrungen zurückgriff. Die 1992 in Gotha geborene Schriftstellerin ist selbst die jüngste von drei Schwestern.

Schritte aus der Sprachlosigkeit

Die Geschichte von „Triskele“ spielt vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie im Jahr 2020. Die Mutter der drei Schwestern, die alle einen anderen Vater haben, hat sich das Leben genommen. Nun kommen die Töchter in ihrer Wohnung in einer Kleinstadt in Sachsen-Anhalt zusammen, um den Haushalt aufzulösen, Geschirr, Möbel, Bilder und Kleidungsstücke zu sortieren. Zu dritt müssen sie entscheiden, was sie behalten und was nicht, wer ein Anrecht auf welches Erinnerungsstück hat.
Mit dieser klassischen Familienszene beginnt der Roman. Über 200 Seiten erzählt er von der mühevollen Erwärmung der abgekühlten Beziehung der Schwestern. Am Ende feiern sie zusammen Silvester. Dazwischen aber überwinden sie Schritt für Schritt ihre Sprachlosigkeit und gegenseitige Ressentiments. Über Jahre hin ging der Kontakt der drei Schwestern über Geburtstagstelefonate kaum hinaus.

Verschiedene politische Erfahrungen

Miku Sophie Kühmel verzichtet auf eine übergeordnete Erzählinstanz. Die Schwestern kommen, von Kapitel zu Kapitel wechselnd, als drei Ich-Erzählerinnen zu Wort. Diese Konstruktion macht nicht nur die Unterschiede ihrer Gefühls- und Gedankenwelten, sondern auch die ihrer historisch-politischen Erfahrungen anschaulich.
Nur Mercedes, die Älteste, hat die DDR noch selbst erlebt. Schon als Jugendliche übernahm sie die Verantwortung für Mira, die zweite in der Schwesternreihe, und ersetzte die psychisch labile und von lebenspraktischen Dingen überforderte Mutter. Matea, die jüngste, hat in der digitalen Welt ein Ersatzzuhause gefunden. Sie lebte als einzige bis zuletzt bei der Mutter. Da sie minderjährig ist, muss sie nun zu Mercedes nach Berlin ziehen.

Roman unter strengem Konzept

Der Familienroman, nach wie vor die Lieblingsgattung der Gegenwartsliteratur, verfügt über ein unerschöpfliches Reservoir an Dramen. Das der drei Schwestern in „Triskele“ zählt zu den originelleren. Gerade deshalb ist es bedauerlich, dass Miku Sophie Kühmel ihren Romanstoff nicht weiter und zwangloser entfaltet.
Die Lebensgeschichte der Mutter wird nur erahnbar, die Väter der drei Schwestern bleiben Leerstellen und die allzu strukturierte Choreografie des Drei-Schwestern-Ensembles nimmt dem Erzählen bisweilen die Luft. Sie haben nicht nur Vornamen mit dem gleichen Anfangsbuchstaben, sondern auch den gleichen Altersabstand. Mercedes ist 48, Mira 32 und Matea 16, dazwischen liegen je sechzehn Jahre. Biologisch kann dies durchaus möglich sein. Literarisch ist es eine Spur zu schematisch, das familiäre Gefühlschaos ordnet sich einem Konzept unter.
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