Mikroorganismen im Meer

Alleskönner Alge

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Der größte Lebensraum der wir kennen: Das Meer, hier an der Küste von Helgoland © dpa picture alliance/ Christof Martin
Von Peter Kaiser · 19.01.2016
Millionen von Mikroorganismen befinden sich in wenigen Millilitern Meerwasser. Forscher versuchen, diese Organismen nutzbar zu machen. Ob in der Jeansproduktion oder bei der Körperpflege - schon heute sind viele Anwendungsorte denkbar.
"Wir stehen vor dem größten Photobioreaktor, den wir hier haben. Hier in den Röhren ist jetzt die Mikroalge, das ist eine Chlorella-Alge, dazu Nährmedien mit Nährsalzen, zum Beispiel eine Stickstoffquelle."
Das Team um den Chemiker Ingolf Petrick von der Fachhochschule Lausitz in Senftenberg gewinnt aus der Mikroalge Flugzeugkerosin. Dieser Biotreibstoff wird einmal das bisher verwendete Kerosin ersetzen. Doch das ist nur eine Mikroalgeart, in den Meeren der Welt gibt es nicht nur eine, sondern mehr als 120 000 verschiedene Mikroalgenarten.
"Von denen sind jetzt vielleicht in der industriellen Betrachtung, in der industriellen Produktion zwischen 20 und 30, sage ich mal."
Schon seit Jahren suchen Wissenschaftler weltweit nach neuen Wirkstoffen in den Meeren. Algen für die Produktion von Kraftstoff sind nur ein Beispiel für die industrielle Verwendung. Ein anderes Beispiel kommt aus dem medizinischen Sektor. Etwa das Gift der Kegelschnecke – Conotoxin genannt – das die Signalübertragung ans menschliche Nervensystem blockiert und so eine Schmerzmeldung ans Gehirn verhindert. Das macht das Gift für die Krebstherapie interessant. Für Johannes Imhoff vom Kieler Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung sind besonders die Signal- und Kommunikationsstoffe der Lebewesen im Meer spannend.
"Das Meer ist der größte Lebensraum, den wir kennen und von daher ist auch hier einer der größten Ressourcen für interessante Stoffe. Die Lebewesen kommunizieren miteinander, vor allem Mikroorganismen, und solche, die nicht sehen können, über den Austausch chemischer Substanzen. Das können Anlockstoffe sein, das können Abwehrstoffe sein, das können einfache Stoffe sein, die bestimmte Reaktionen auslösen."
Den etwa 100 Forschern, die sich vier Jahre im Projekt "Micro B3" der Suche nach neuen Wirkstoffen aus dem Meer widmeten, bot sich ein faszinierendes Bild. Projektkoordinator Frank Oliver Glöckner von der Bremer Institutionen, Jacobs University und Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie.
Ein riesiger genetischer Datenschatz
"Also alles das, was Sie nicht sehen, ist von sehr großer Bedeutung fürs marine System. Diese Mikroorganismen setzen dort alle Stoffkreisläufe, alle Energiekreisläufe im Bewegung, konkret gesagt, jeder Organismus wird am Schluss von Mikroorganismen abgebaut und recycelt. Und das ist genau das Potential, was wir auch nutzen wollen, um daraus zum Beispiel neue Enzyme, neue Wirkstoffe zu finden, und auch in die Anwendung zu bringen."
In mehr als 2000 fingergroßen Röhrchen sammelten die Forscher, aber auch sogenannte "Bürgerwissenschaftler" – also interessierte Bürger – nach einheitlichen Standards Proben aus den Küstenge-wässern der Welt: Vom Nordpolarmeer bis zu tropischen Regionen. Um zu verstehen, wie groß allein der genetische Schatz dieser so gesammelten Proben ist, muss man wissen...
"...dass in jedem Milliliter da drin, also in jedem tausendstel Liter, ungefähr eine Million Mikroorganismen sind. Und die bergen einen riesigen genetischen Datenschatz, der in absehbarer Zeit zu Anwendungen führen wird. Zum Beispiel Cellulasen, Cellulasen sind Enzyme, die können Zellulose abbauen. Zellulose ist Bestandteil jeder Pflanze. Und diese Cellulasen werden eingesetzt zum Beispiel in der Nahrungsmittel-, in der Waschmittel- und in der Textilindustrie. Man kann damit die Überbleibsel der Pflanze, das, was schwer verdaulich ist, kann man zugänglich machen, daraus kann man zum Beispiel Bioäthanol machen, denken Sie vielleicht an neue Biokraftstoffe, oder, ganz pragmatisch, was ja zur Zeit sehr modern ist, diese Jeans, die aussehen, als ob sie schon 3 Jahre getragen worden sind, aber neu aus den Laden kommen. Da werden zum Beispiel auch Zellulosen eingesetzt, also die Bandbreite von solchen Enzymen ist unglaublich groß."
Schon heute werden viele Meer-Enzyme sowohl industriell als auch medizinisch eingesetzt. Die Datenanalyse des "Micro B3" – Projektes wird noch mehr Anwendungen möglich machen. Schon jetzt soll ein neues Enzym den Phosphatausstoß bei der Tierhaltung verringern, ein anderes als Antibiotikum in der Fischzucht eingesetzt werden. Das sind erste Ergebnisse des Projektes. Auch für Ilona Kintopf von der Berliner Naturheilpraxis IKINTO kann irgendwann ein Ergebnis des Projektes relevant werden. Denn für ihre kosmetische Arbeit sind Algen wichtig.
"Weil die sehr reich an Mineralien sind, und dann ernähren sie sehr gut die Haut."
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