Archäogenetiker Johannes Krause

Migrationsgeschichten aus der Steinzeit

35:28 Minuten
Johannes Krause, Direktor des Max-Planck-Instituts für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig, steht vor einem weißen Hintergrund und blickt in die Kamera.
Erforscht eine Vergangenheit, die sehr weit zurückliegt: Johannes Krause, Direktor des Max-Planck-Instituts für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig. © Thomas Victor
Moderation: Ulrike Timm · 17.12.2021
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Mit dem Denisovaner hat er neben Neandertaler und modernem Menschen eine dritte Menschenform entdeckt: Johannes Krause entschlüsselt als Archäogenetiker die DNA von Knochen, die manchmal hunderttausend Jahre alt sind. So erfahren wir, wer unsere Vorfahren waren.
Vor einigen Jahren bohrte Johannes Krause ein Loch in einen uralten Fingerknochen – und fand eine neue Menschenform: die Denisovaner, genauer gesagt deren DNA. Seither wissen wir etwas besser, wie wir wurden, was wir sind.
Darum geht es Archäogenetikern wie Krause, er ist Direktor des Max-Planck-Instituts für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Mit seinem Team entschlüsselt er aus Knochenstaub das Genom von Menschen, die teilweise vor hunderttausenden von Jahren gelebt haben.

Als die Europäer noch dunkle Haut hatten

Und fördert dabei Dinge zutage, die auch heute für uns bedeutend sind: Etwa, dass die helle Hautfarbe der Europäer menschheitsgeschichtlich eine ziemlich junge Erscheinung ist. Bis vor einigen Jahrtausenden waren unsere Vorfahren höchstwahrscheinlich dunkelhäutig, wegen des afrikanischen Migrationshintergrunds, den die Europäer haben.
Auch unsere Hellhäutigkeit ist Folge von Migration: Die ersten Bauern, die aus Anatolien nach Europa einwanderten, brachten nicht nur Ackerbau und Viehzucht mit, sondern auch eine schwächere Pigmentierung der Haut, als Folge ihrer Ernährung. Eine „Migrationsgeschichte aus der Steinzeit“, so Johannes Krause.

Das Erbe der Neandertaler

All das liest er aus den Genen unserer Vorfahren. Zu denen auch die Neandertaler gehören, deren Erbe rund zwei Prozent zum Genom heutiger Europäer beisteuert.
Darunter ist auch ein glücklicherweise selten auftretendes Neandertaler-Gen, das zu einem schweren Verlauf bei einer Covid-19-Erkrankung beitragen kann. Krause weiß, dass er dieses Gen selbst in sich trägt, er hat es von seinem Vater geerbt.
Verwandtschaftsbeziehungen interessieren die Archäogenetiker ohnehin. Etwa bei „Denny“, einem Mädchen, dessen Knochen in der Denisova-Höhle in Sibirien gefunden wurden.
Obwohl Denny vor rund 100.000 Jahren gelebt hat, fand Johannes Krause heraus, dass ihre Mutter Neandertalerin und ihr Vater Denisovaner war, also jener bis vor Kurzem unbekannten Menschenart angehörte.

Es gibt keine Menschenrassen

Vor seiner Leipziger Zeit hat Johannes Krause in Jena gearbeitet und dort mit Wissenschaftler-Kollegen 2019 die Jenaer Erklärung publiziert. Ihre Kernaussage: Aus biologischer Sicht gibt es keine Menschenrassen. Wir Menschen sind uns alle genetisch sehr ähnlich, die Unterschiede sind nur graduell.
Das liest Krause aus den menschlichen Genen, das sieht er aber auch jeden Tag auf der Straße: „Da gibt’s keine Schwarzen und keine Weißen, sondern da gibt’s alles dazwischen.“
(pag)
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