J. Krause/Th. Trappe: "Die Reise unserer Gene"

Wie Migration und genetischer Austausch Europa prägt

05:54 Minuten
Cover: "Johannes Krause mit Thomas Trappe: Die Reise unserer Gene" auf Hintergund.
Paläogenetiker wie Johannes Krause können durch immer bessere Methoden die Wanderungen früherer Jahrtausende rekonstruieren. © Propyläen Verlag / imago / Ikon Images / Gary Waters
Von Michael Lange · 06.03.2019
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Wer unsere Vorfahren waren und wie sie lebten, dem geht der Paläogenetiker Johannes Krause in "Die Reise unserer Gene" nach. Anhand der Geschichte der Wanderungsbewegungen zeigt er die Entwicklung europäischer Kulturen im Lauf der Jahrhunderte auf.
Wer waren unsere Vorfahren, und wo und wie lebten sie? Ergebnisse der Genforschung liefern neue Erkenntnisse über die Geschichte der Menschheit. Sie zeigen: Insbesondere der Kontinent Europa kennt keinen Stillstand. Er war und ist geprägt von Migration und genetischem Austausch.
Der Paläogenetiker Johannes Krause und sein Koautor, der Journalist Thomas Trappe, stellen die Geschichte der europäischen Wanderungsbewegungen in den Mittelpunkt ihres gelungenen Buches. Ergänzt durch Karten liefern sie einen guten Überblick über das Hin und Her, und das Auf und Ab verschiedener Kulturen im Laufe der Jahrtausende. Immer wieder trafen Menschen unterschiedlicher Herkunft aufeinander, bekämpften einander, lernten voneinander, und letztlich vermischten sie sich.

Erbgut mit Ursprung bei den Neandertalern

So finden Genforscher im Erbgut heutiger Europäer Spuren unterschiedlicher Gruppen, die zu verschiedenen Zeiten nach Europa kamen. Schon vor 500.000 Jahren besiedelten die Neandertaler von Afrika kommend über die "Balkan-Route" weite Teile Europas.
Vor über 40.000 Jahren kam dann der Homo sapiens aus Afrika. Die Neandertaler verschwanden, aber sie sind nicht völlig ausgestorben. Zwei Prozent im Erbgut heutiger Europäer haben ihren Ursprung bei den Neandertalern.
Die prägende Migration erfolgte vor etwa 9000 Jahren. In fast ganz Europa lebten damals dunkelhäutige, wahrscheinlich blauäugige Jäger und Sammler. Als immer mehr hellhäutige Landwirte aus Anatolien nach Mitteleuropa kamen, waren Jäger und Sammler bald in der Minderheit.
Denn die Landwirtschaft brachte mehr Nahrung, mehr Kinder, aber auch mehr Arbeit. Beide Gruppen lebten deshalb etwa 2000 Jahre lang nebeneinander in "Parallelgesellschaften". Nach und nach aber übernahmen Jäger und Sammler die Lebensweise der Landwirte und die Gruppen vermischten sich. Heute gehören beide Abstammungslinien zu den Vorfahren aller Europäer.

Begriffe auch aus der aktuellen Debatte um Migration

Paläogenetiker können durch immer bessere Methoden die Wanderungen früherer Jahrtausende rekonstruieren. Sie untersuchen Funde aus früheren Jahrtausenden, vergleichen sie mit dem Erbgut heutiger Europäer und finden so genetische Besonderheiten in verschiedenen europäischen Regionen und ziehen Rückschlüsse auf genetische Einflüsse.
Bestimmte Erbanlagen sind zum Beispiel im Süden Europas häufiger als im Norden, andere kommen verstärkt im Westen oder Osten vor. Genetische Grenzen zwischen den Völkern einzelner Nationalstaaten fanden die Wissenschaftler hingegen nicht. Die Entstehung der heute existierenden Nationen ist zu neu, und meist waren die Grenzen nie so dicht, dass sie den genetischen Austausch hätten verhindern können.

Mehrfach verwenden Johannes Krause und Thomas Trappe Begriffe aus der aktuellen Debatte um Migration und Abschottung. Dadurch verleihen sie ihrem historischen Rückblick eine große Aktualität. Denn sie machen deutlich: Migration führte immer wieder zu Konflikten und Kämpfen. Aber es war auch die Migration, die den Kontinent voranbrachte und weiterentwickelte - in früheren Jahrtausenden bis heute.

Johannes Krause/Thomas Trappe: Die Reise unserer Gene. Eine Geschichte über uns und unsere Vorfahren
Verlag Propyläen, Berlin 2019
288 Seiten, 22 Euro

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