Migration

Nicht ihre Herkunft macht Täter straffällig

Auch die Gesellschaft hat einen großen Einfluss darauf, ob die Jugendlichen straffällig werden.
Auch die Gesellschaft hat einen großen Einfluss darauf, ob die Jugendlichen straffällig werden. © dpa / picture alliance / Karl-Josef Hildenbrand
Von Canan Topçu · 11.02.2014
Wenn über Straftaten berichtet wird, wird oftmals erwähnt, wenn der Täter einen Migrationshintergrund hat. Das ist aber überhaupt nicht wichtig, beklagt die Journalistin Canan Topçu, sondern stigmatisiert alle anderen dieser Ethnie, die nicht straffällig geworden sind.
„Ein Taxifahrer ist zusammengeschlagen und ausgeraubt worden. Bei dem Täter handelt es sich um einen Jugendlichen - türkischer Herkunft.“
Nachrichten wie diese lesen und hören wir immer wieder in den Medien. Mit dieser Art zu berichten kann ich nicht viel anfangen. Jedes Wort ist zwar korrekt und setzt sich mit anderen zu einer Information zusammen. Und doch ist die Nachricht nicht so objektiv, wie sie zu sein scheint. Denn unterschwellig wird der Hörer oder Leser angeregt, sich seinen Teil zu denken – irgendetwas, was die Fakten gar nicht hergeben.
Warum, so frage ich mich, wird die Herkunft des Jugendlichen genannt? Hat er geschlagen und geraubt, weil er Sohn türkischer Eltern ist? Wurde er kriminell, weil er aus einem Milieu stammt, das treffend mit "türkisch" zu bezeichnen wäre?
Den Hinweis auf die Herkunft braucht es nicht
Der Hinweis auf die Ethnie stellt einen Zusammenhang her, der nicht zwangsläufig besteht. Der Jugendliche mag gewalttätig geworden sein, weil er im Elternhaus mit Schlägen erzogen worden ist. Doch diese frühe Prägung erleben viele Kinder, nicht nur türkische. Und wenn sie aggressiv werden, gar auf die schiefe Bahn kommen, liegt dies nicht unbedingt an ihrer Familie.
Der Freundeskreis, Kontakte im Jugendclub oder in der Schule könnten ebenso verantwortlich sein. Das soziale Umfeld müsste erforscht werden, um auf die Ursachen der Delinquenz des jugendlichen Taxiräubers zu kommen. Denn er ist auch ein "Produkt" des Landes, in dem er geboren und aufgewachsen ist. Häufig hilft nicht einmal dieses Wissen, um einen Menschen zu verstehen.
Wozu braucht es dann den Hinweis auf seine türkische Herkunft, um die Tat genauer zu beschreiben. Der Hinweis wird überhaupt nicht gebraucht. Er erhellt nichts, sondern vernebelt. Deshalb empfiehlt der Presserat Selbstverständliches: Die Ethnie soll nur dann erwähnt werden, wenn ein "begründbarer Sachbezug" zur Tat besteht, also wenn die Herkunft des Täters erwiesenermaßen etwas mit dem Vorfall zu tun hat.
Die stigmatisierende Berichterstattung trägt Früchte
Während meiner journalistischen Ausbildung vor etwa 20 Jahren hat mich niemand auf den Pressecodex hingewiesen. Achtsam wurde ich trotzdem. Geholfen haben mir dabei Menschen mit so genanntem Migrationshintergrund. Sie fühlen sich stigmatisiert durch eine Berichterstattung, die kausale Zusammenhänge zwischen Ethnie und Delinquenz suggeriert.
Warum tun die Medien das, wurde ich häufig gefragt. Meine Antwort lautet: mal aus Unachtsamkeit, mal aus ideologischen Gründen.
Ich halte mich an den Codex. Damit mache ich mir nicht nur Freunde. Mir wird vorgeworfen, die Chronistenpflicht zu ignorieren, den Bürger zu bevormunden und die Kriminalität von Migranten unter den Teppich zu kehren. Sie seien nun mal gewalttätiger als andere! Diese Reaktionen verdeutlichen vor allem eines: Die stigmatisierende Berichterstattung trägt Früchte.
Wie ungerecht und gefährlich es ist, wenn Presse und Ermittler voreingenommen sind, zeigte sich am Beispiel der Mordserie des "Nationalsozialistischen Untergrunds". Vorschnell wurden auch die Opfer und ihre Familien als kriminell, als irgendwie mitschuldig angesehen. Und ohne Feingefühl berichteten Reporter von sogenannten "Döner-Morden" - so als ob es sich bei den Getöteten um Fleischspieße gehandelt hätte.
Wir Journalisten kommen der wahrhaftigen Berichterstattung nicht nach, wenn wir nur unsere Chronistenpflicht erfüllen. Wer seinen Beruf verantwortungsvoll ausüben will, muss auch mit Sprache achtsam umgehen.
Canan Topçu, 1965 in der Türkei geboren, lebt seit 1973 in Deutschland. Sie studierte Literaturwissenschaft und Geschichte, absolvierte ein Volontariat bei der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und war zwölf Jahre Redakteurin bei der Frankfurter Rundschau.
Canan Topçu
Canan Topçu© Christoph Boeckheler
Sie ist auf Themen rund um Migration, Integration und Islam spezialisiert und arbeitet nunmehr als freiberufliche Journalistin. Zudem ist sie an der Hochschule Darmstadt im Fachbereich Media als Dozentin tätig.
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