Erschlagen mitten in Berlin

Von Dorothea Jung · 13.05.2013
Heute müssen sich vor dem Berliner Landgericht sechs junge Männer wegen "Körperverletzung mit Todesfolge" verantworten. Der Staatsanwalt wirft den Beschuldigten vor, den 20-jährigen Jonny K. so stark geprügelt und getreten zu haben, dass er an seinen Verletzungen starb.
In der Rathausstraße hinter dem Alexanderplatz in Berlin steht ein schwarzer Zeltunterstand. An seinen Stoffbahnen hängen Bilder des erschlagenen Johnny, Man sieht einen fröhlichen jungen Mann mit fast kindlichen Gesichtszügen. Ein großes Schild informiert :

"Hier starb in der Nacht vom 14. 10. 2012 der 20-jährige Jonny K. Er zeigte Zivilcourage und half einem anderen Bedrängten. Wir werden ihn nicht vergessen."

Darunter, auf dem Bürgersteig rund 50 Kerzen und mehrere Blumensträuße. Gestern Nachmittag regnet es heftig in Berlin. Trotzdem bleiben Menschen hier stehen.

- Umfrage -
Mann: "War ganz schön fies, dass die den so brutal zusammengeschlagen haben. Die soll man richtig mal hintern Knast bringen, richtig einsperren."
Frau: "Ich wusste, dass das auf dem Alexanderplatz passiert ist, aber, dass das nun genau hier, wo wir gerade Eis essen wollen, da war ich schon erschrocken darüber. Das so etwas überhaupt durch Zivilcourage überhaupt passieren kann."
Frau: "Ich bin auch extra hier hergegangen und habe Kerze und Blume gebraucht, weil, es hätte mein Enkel sein können. Das ist furchtbar."


Einige der mutmaßlichen Schläger hatten sich bereits wenige Tage nach dem Vorfall der Polizei gestellt, andere brauchten länger. Vor allem der als Haupt-Täter Verdächtige Onur U. Er besitzt die türkische Staatsbürgerschaft und war in die Türkei geflohen. Auslieferungsersuchen der Berliner Justiz seien zunächst erfolglos geblieben, erklärt Rechtsanwalt Mirko Röder, der Johnny K.'s Familie vor Gericht als Nebenkläger vertritt. Doch dann schaltete sich die Politik ein.

Mirko Röder: "Frau Bundeskanzlerin hat, zumindest dem Vernehmen nach, bei einem Besuch in der Türkei sich dafür ausgesprochen, dass tatsächlich die Beschuldigten hier nach Deutschland zurückkehren und sich den deutschen Strafverfolgungsbehörden stellen."

Anfang April hatten die türkischen Behörden eigene Ermittlungen gegen Onur U, eingeleitet. Wenige Tage später stellte sich der Verdächtige der Berliner Polizei, nach Angaben seines Verteidigers aus freien Stücken, um zur Aufklärung beizutragen.

Die Familie des Opfers sei von dem Einsatz der Politik und der Anteilnahme der Bevölkerung sehr berührt gewesen, sagt Nebenklagevertreter Mirko Röder. Vor allem Jonnys Schwester Tina habe sich dadurch unterstützt gefühlt in ihrem Engagement gegen Straßengewalt unter Jugendlichen.

Mirko Schröder: "Tina geht in Schulen zu den Jugendlichen in Neukölln, in die Brennpunkte und wirkt durch ihre Erscheinung, durch diese Geschichte mit ihrem Bruder Jonny, der tot ist, ausgesprochen authentisch."

Tina K. hatte nach dem Tod ihres Bruders einen Verein namens "I am Jonny" gegründet, der sich für ein gewaltloses Miteinander junger Menschen aus verschiedenen Kulturen in Berlin einsetzt. Wie Tina K. den Tod ihres Bruders verarbeitete, beeindruckte die deutsche Öffentlichkeit. Die Burda AG verlieh ihr dafür einen Bambi. Tina K. dankte mit d en Worten:

"Wir müssen gemeinsam für eine bessere Zukunft sorgen. Egal woher man kommt, egal, wie man aussieht, egal, wer man ist: Wir leben in einem Land. Wir müssen nur nein sagen zu Schlägern, wir müssen nein sagen zu Ungerechtigkeit und wir müssen nein sagen zu böser Gewalt."

Die sechs mutmaßlichen Schläger sind zwischen 19 und 24 Jahre alt. Sie sind wegen Körperverletzung mit Todesfolge, gefährlicher Körperverletzung und Beteiligung an einer Schlägerei angeklagt, nicht wegen Totschlages. Rechtsanwalt Mirko Röder hält diesen Tatvorwurf für angemessen:

"Im Kern, und das ist auch das Credo: Der Familie geht es um ein faires Verfahren. Wir erwünschen uns eine gerechte Bestrafung der Täter. Es geht hier nicht um Rache."

Sollten sich die Tatvorwürfe der Staatsanwaltschaft bestätigen, dann können den Tätern wegen Körperverletzung mit Todesfolge durchaus mehrjährige Freiheitsstrafen drohen. Für den Prozess, der heute um neun vor dem Berliner Landgericht beginnt sind zehn Verhandlungstage angesetzt.


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