Michel Friedman über "Terror"

Theaterstück wie ein Juraseminar

Der Schauspieler Timo Weisschnur (Lars Koch, Pilot eines Kampfjets der Bundeswehr) sitzt bei einer Fotoprobe zum Stück "Terror" von Ferdinand von Schirach im Deutschen Theater in Berlin auf der Bühne.
Der Schauspieler Timo Weisschnur (Lars Koch, Pilot eines Kampfjets der Bundeswehr) sitzt bei einer Fotoprobe zum Stück "Terror" von Ferdinand von Schirach im Deutschen Theater in Berlin auf der Bühne. © picture alliance / dpa / Jörg Carstensen
Michel Friedman im Gespräch mit Susanne Burkhardt · 10.10.2015
Mit seinem ersten Theaterstück "Terror" ist der Anwalt und Beststeller-Autor Ferdinand von Schirach der meistgespielte Dramatiker der Saison. Der Jurist und Philosoph Michel Friedman ist nicht begeistert: Er habe sich wie in einer Vorlesung gefühlt, nicht wie im Theater, sagt er im Interview.
Stellen Sie sich vor: Ein Passagierflugzeug wird von Terroristen entführt und steuert auf ein vollbesetztes Stadion zu. Darf ein Kampfpilot den Flieger mit 164 Menschen an Bord abschießen, um zu verhindern, dass 70.000 sterben? Entscheidet er nach Gesetz oder nach Gewissen? Ein klassisches moralisches Dilemma. Das ist die Ausgangslage in Ferdinand von Schirachs erstem Theaterstück. "Terror" hat es der bekannte Strafverteidiger genannt.
16 Theater bringen das Stück in dieser Spielzeit auf die Bühne – damit wird Ferdinand von Schirach der meistgespielte Dramatiker der Saison. "Rang 1" fragt seinen Kollegen, den Juristen und Philosophen Michel Friedman: Ist "Terror" ein gutes Theaterstück?
Michel Friedman: Rechtsanwalt, Kolumnist, Fernsehmoderator, Politiker (CDU) und ehemaliger stellvertrender Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland - hier in der Sendung Menschen bei Maischberger
Michel Friedman, Jurist, Philosoph, Fernsehmoderator und Politiker (CDU) © Imago / Revierfoto
Die Antwort fällt kritisch aus: "Wir befinden uns nicht in einem Rechtsseminar – wir befinden uns in einem Theater!", sagt Michel Friedman über das Stück. Doch er habe als Zuschauer nicht das Gefühl gehabt, im Theater zu sein. Die Dramaturgie des Textes sei habe er nicht als gelungen empfunden. "Mir war zuviel Dozieren dahinter." Das Publikum sei konfrontiert worden mit "einem Vortrag für Anfänger im Philosophiestudium oder Juristen im ersten Semester." Es sei "zu viel an-die-Hand-genommen-werden" gewesen. Das sieht der Jurist und Philosoph als Ausdruck dafür, dass das Stück anscheinend sich selbst nicht traut und deshalb Gebrauchsanweisungen mitliefere, wie man sich als Zuschauer mit diesem Stück auseinandersetzt.
Der Autor hätte sich entscheiden müssen
"Wenn man es liest, glaube ich, hat man mehr davon, weil man sich mit dieser Argumentation und Gegenargumentation als Leser 1:1 auseinandersetzt", so Friedman. Im Theater möchte er mehr haben: "Theater lebt nur von den Überlegungen der Moral, des moralischen Versagens, von Gerechtigkeitsansprüchen – also von all den metaphysischen Themen, die in eine dramaturgischen Handlung übersetzt werden. Aber die Geschichte an sich, die der Autor einem als Zuschauer überlasst, hat eben nicht die Übersetzung im Theater."
Der Autor hätte sich seiner Meinung nach entscheiden müssen, "es entweder strikt juristisch durchzuhalten, oder aber sich auf eine Ebene zu begeben, die viel fiktiver aufgebaut wäre", erklärt Friedman. "So ist ein Zwitter entstanden, der mich nicht unbedingt überzeugt hat."
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