Ferdinand von Schirachs "Terror" in Berlin

Zu viel Theaterkunst

Der Schauspieler Timo Weisschnur steht bei einer Fotoprobe zum Stück "Terror" von Ferdinand von Schirach im Deutschen Theater in Berlin auf der Bühne.
Der Schauspieler Timo Weisschnur steht bei einer Fotoprobe zum Stück "Terror" von Ferdinand von Schirach im Deutschen Theater in Berlin auf der Bühne. © picture alliance / dpa / Jörg Carstensen
Von André Mumot · 03.10.2015
Ferdinand von Schirachs erstes Drama "Terror" irritiert und glänzt durch brave juristische Sachlichkeit. Bei der Premiere im Deutschen Theater in Berlin versucht Regisseur Hasko Weber leider unnötige Theaterkunst in das Stück hineinzuzwingen.
Es ist das Stück der Stunde, ein Erfolg, der schon nicht mehr aufzuhalten ist: True-Crime-Bestseller-Autor Ferdinand von Schirach hat sein erstes Drama geschrieben und 16 Häuser haben vor, es in dieser Spielzeit aufzuführen. Gewiss hat das auch mit dem Thema zu tun, das sich der Autor gewählt hat und das schwelende Ängste aufgreift und moralische Unsicherheiten unserer Zeit.
"Terror" handelt vom Abschuss einer von einem Terroristen gekaperten Passagiermaschine. Erzählt wird dabei nur der Prozess, der dem Kampfflieger Lars Koch gemacht wird, der gegen den Befehl seiner Vorgesetzten entschieden hat, das Leben der 163 Passagiere zu opfern, um so 70.000 Besucher eines Fußballstadions zu retten, die zum Ziel des Attentäters werden sollten. Was gilt die Würde des einzelnen Menschen?, fragt das Stück sehr schlicht und ebenso deutlich.
Im Grunde ist es gar keine Dramenliteratur, die der ehemalige Anwalt hier abliefert, was man ihm mit Fug und Recht vorhalten kann: Sein Text ist bloßes Protokoll eines fiktiven Prozesses, ohne illustratives Drum-Herum. Hier gibt es, abgesehen von einigen kurzen Versuchen humorvollerer Auflockerung, nur Rechtsbelehrung, Fragen und Antworten, Kreuzverhör und Plädoyer – und am Ende muss das Publikum entscheiden, ob es Lars Koch (in Berlin von Timo Weisschnur gespielt) verurteilen will oder nicht. Geradezu kunstlos ist das gemacht, ohne weitreichende literarische Ambition, aber gerade das lässt sich auch als Stärke sehen.
Unnötig suggestive Videosequenzen
Keine poetischen Zuspitzungen warten hier, daher auch keine allzu leidenschaftlichen Appelle, keine Ressentiments, auch keine globaleren Ausweitungen, keine prallen Figurenzeichnungen: von Schirachs "Terror" irritiert durch brave juristische Sachlichkeit. Zuhören muss man, Diskurse aushalten, Komplexitäten, die man dröge, auch durchaus dann und wann banal finden kann, die es sich aber lohnt zu durchdenken.
Natürlich fällt es Regisseuren schwer, es dabei zu belassen, was sich bei der Uraufführung in Berlin sehr deutlich zeigt. Während Oliver Reese zeitgleich in Frankfurt das Stück in klarstem Naturalismus an die Rampe tragen lässt, geht Regisseur Hasko Weber sichtlich ratlos an die Sache heran. Es muss doch irgendwie Theaterkunst hineinzuzwingen sein in dieses schlichte Wechselspiel.
Daniel Hengst hat ihm also überlaute und unnötig suggestive Videosequenzen für Zwischendurch entworfen, in denen effekthascherisch animierte Menschen in die Tiefe stürzen und Gesetzesbücher durch die Gegend flattern. Der Text ist aufgebrochen und die Darsteller tun sich äußert schwer mit dem unprätentiösen Hin und Her, wissen nicht, ob sie ihre Repliken verkünsteln sollen oder nicht.
Auch die große Almut Zilcher, die die vorsitzende Richterin gibt, wirkt völlig verloren und scheint sich ziemlich unwohl zu fühlen. Am schlimmsten aber: Die Militärs werden, alter Theater-Reflex, zu simplen, schnarrend sprechenden, fanatischen und schießwütigen Karikaturen. Freigesprochen wird Lars Koch an diesem Abend in Berlin aber trotzdem. Es bleibt abzuwarten, wie die Publikumsschöffen in den vierzehn anderen Städten reagieren werden, in denen das Stück demnächst zu sehen sein wird.
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