Lea Susemichel

"Feminismus war nie so populär wie heute"

Lea Susemichel
Lea Susemichel © Jens Kastner
Moderation: Katrin Heise · 03.05.2018
"An.schläge" heißt das feministische Magazin Österreichs und es hatte gerade 35. Geburtstag. Wenn man es als Pendant zur deutschen "Emma" sehen würde, wäre Lea Susemichel die österreichische Alice Schwarzer.
"An.schläge" heißt das feministische Magazin Österreichs und es feiert dieses Jahr seinen 35. Geburtstag. Wenn man es als Pendant zur deutschen "Emma" sehen würde, wäre Lea Susemichel als leitende Redakteurin des Magazins die österreichische Alice Schwarzer. Doch wird schon bei einem Blick auf ihre Geschichte klar, wie unterschiedlich die beiden Journalistinnen sind.
Lea Susemichel wurde in ein feministisches Post-68er-Milieu hineingeboren und hat schon als Kind mit ihrer alleinerziehenden Mutter in unterschiedlichen WGs gelebt. Als Journalistin, Lehrbeauftragte und Vortragende arbeitet sie heute zu feministischer Theorie & Bewegung und feministischer Medienarbeit. Um ihre beiden Kinder kümmert sie sich gemeinsam mit ihrem Mann.
Susemichel findet es bedauerlich, wie wenig sich die aktuellen Themen seit der Entstehung ihrer Zeitschrift geändert haben:
"Die Ähnlichkeiten sind mitunter erschreckend, weil es solche Evergreens gibt wie Abtreibungsrecht, Gewalt gegen Frauen, Lohnschere, gerechte Aufteilung von Hausarbeit zwischen Männern und Frauen – all diese Sachen sind tatsächlich Themen, die seit 35 Jahren immer wiederkehren."
Positiv sieht sie dagegen die jüngsten Entwicklungen des Feminismus, auch im Verlauf der Me-Too-Bewegung:
"Erstmal glaube ich, dass es tatsächlich gegenwärtig die Entwicklung gibt, dass Feminismus ein Begriff ist, mit dem viel mehr Frauen sich identifizieren können. Es gibt diese wahnsinnig großen Bewegungen mit Trumps Wahl und den Women's Marches in den USA – das waren tatsächlich die größten Demonstrationen der US-Geschichte. Das wird meiner Meinung nach viel zu wenig betont. Ich glaube, dass Me-Too eine Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung gebracht hat, wie sie es zuvor noch nicht gegeben hat."

Solche Dinge einfach selbst regeln?

Sie sei froh, dass nun Probleme grundlegend benannt würden und grenzt sich damit deutlich von den Angriffen auf die Me-Too-Bewegung ab, die ja auch von manchen Frauen kommen:
"In Frankreich war das Catherine Deneuve, die das Recht zu belästigen gefordert hat, bei uns in Österreich war’s die Nina Proll und in Deutschland war es jetzt zuletzt die Philosophin Svenja Flaßpöhler, über die ich mich wahnsinnig geärgert habe, die tatsächlich gesagt hat, Frauen, die sich da öffentlich beschweren über sexualisierte Gewalt, die erinnerten sie an petzende Schulkinder und sie hätte von ihrer Mutter gelernt, dass man solche Dinge selbst zu regeln hat. Das ist diese Ambivalenz. Ich glaub' tatsächlich, da hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden, andererseits gibt's aber gleichzeitig die Versuche, das auch wieder zurückzunehmen und in die andere Richtung zu bringen. Da müssen wir eben aufpassen, dass das nicht geschieht und zeigen, dass solche Analogien einfach falsch sind."
Was die Lage in Österreich nach dem politischen Rechtsruck betrifft, ist Susemichel wenig optimistisch:
"Um es mal ganz salopp zu sagen, war Österreich schon immer ein sehr rechtes Land. Der mediale Diskurs wird in Österreich sehr stark vom Boulevard bestimmt, da gab es noch keine signifikanten Änderungen. Aber wenn man das im globalen Zusammenhang sieht, ist es natürlich schrecklich, dass es jetzt auch uns erwischt hat."

Was Heim-und-Herd-Ideologen plötzlich schreien

Der Aufwind der Konservativen und Rechten äußere sich leider auch häufig so, dass Frauenthemen instrumentalisiert werden:
"Das sind meistens Männer, die sich da plötzlich die Verteidigung von Frauenrechten auf die Fahnen schreiben, die sonst die allerärgste Heim- und Herd-Ideologie vertreten, die gegen 'Genderwahn' wettern, die Homosexuellen-Rechte einschränken wollen, die in jeder Hinsicht versuchen, emanzipatorische Forderungen zu boykottieren und die plötzlich, wenn's darum geht, diese rassistisch zu instrumentalisieren, dann ganz vorne mit dabei sind und schreien, dass unsere abendländischen Freiheitsrechte bedroht sind. Es wird so getan, als wäre Misogynie etwas, das wir importieren und uns ins Land holen durch die Migranten und es wird vollkommen unterschlagen, dass wir eine abendländische Tradition haben, die seit Aristoteles mindestens genauso frauenfeindlich ist."
Susemichel sagte, dass Feminismus sich dezidiert nicht auf Vorteile von Frauen oder gar einer bestimmten Gruppe weißer, privilegierter Frauen beschränke:
"Es geht um Emanzipationsforderungen für alle Menschen. Feminismus soll auch Männern helfen. Letztlich geht es um gerechte Verteilung von Ressourcen in globaler Hinsicht und es geht auch um Freiheitsrechte für andere marginalisierte Gruppen. Es ist daher wichtig, klar zu machen, dass Feminismus antirassistisch sein muss."
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