Wolgang Huber: Ethik der Digitalisierung
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"Die Maschine muss dem Menschen dienen"
05:34 Minuten
Wolfgang Huber
Menschen, Götter und Maschinen. Eine Ethik der DigitalisierungC.H. Beck, München 2022207 Seiten
18,00 Euro
Der Theologe Wolfgang Huber formuliert ethische Prinzipien für den Umgang mit der digitalen Transformation. Praktisch hilft das wenig. Denn den aktuellen Stand der Diskussion lässt er dabei außen vor.
Wie steht der Mensch zur Maschine? Lässt sich Privatsphäre noch schützen? Zerstören soziale Medien die Demokratie? Seit Jahren diskutieren Wissenschaft und Politik darüber, wie viel Digitalisierung der Gesellschaft guttut und welche Kriterien dabei gelten sollen.
Kann die Kirche hier vielleicht ganz eigene Antworten liefern? Immerhin: Nicht weniger als eine „Ethik der Digitalisierung“ verspricht der ehemalige Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Wolfgang Huber. Doch auch, wenn man seinen Überlegungen teilweise zustimmen mag, der Erkenntnisgewinn ist nur gering.
Es bedarf einer Verantwortungsethik
Als Theologe, der viel zu ethischen Fragen arbeitet, hat sich Huber einen Namen gemacht - aber nicht als Digitalexperte. Und genau das spiegelt sich auch im Buch wider. Denn geboten wird ein Rundumschlag bekannter Problematiken, der meist an der Oberfläche bleibt. So kritisiert er vieles, was ohnehin in der Kritik steht, sprich bereits Allgemeingut ist. Etwa, dass soziale Netzwerke aufgrund ihres Designs süchtig machen können. Dass sie Hate Speech fördern und ihre Nutzung zu Echokammern und geteilten Öffentlichkeiten führt.
Oder dass Algorithmen einen Bias enthalten können, der Einsatz automatisierter Entscheidungssysteme Menschen also schaden kann. Dann wieder bleibt er vage und reißt Fragestellungen nur an. Zum Beispiel, wenn er die Funktionsweise von NFTs - digitalen Unikaten auf dem Kunstmarkt - erst kurz erklärt, um dann die „neue Dimension“ der Kommerzialisierung von Kunst zu beklagen, ohne dies überhaupt zu begründen.
Erhellend und absolut begrüßenswert sind dagegen Hubers Betrachtungen zu einer "Verantwortungsethik". Genau diese müsse bei der digitalen Transformation zum Tragen kommen. Das heißt, der Mensch soll die ihm anvertrauten Möglichkeiten für die Bewahrung und Förderung der Menschheit und auch der nichtmenschlichen Natur nutzen.
Hubers Kritik ist nicht up to date
Ausführlich begründet der Theologe seinen Ansatz, nimmt Bezug auf die Philosophen Hannah Arendt, Max Weber oder Hans Jonas, der für ein „Prinzip vorausschauender Vorsicht“ plädiert, das durch Abwägung geprägt sei und den Verzicht auf die Formulierung absoluter Gewissheiten.
Doch was bedeutet dieser Anspruch für die Praxis? Leider schafft es Huber nicht, seine (theoretische) Kompetenz im Bereich der Ethik überzeugend auf Alltagsfragen der Digitalisierung anzuwenden. Zwar fordert er zu Recht, digitale Technologie müsse dem Menschen dienen. Auch bringt er Beispiele, wo er diesen Ansatz gefährdet sieht. Etwa durch die Monopolposition der Internetgiganten oder die „Selbstverletzung“ der Nutzer, die ihre Daten „gleichmütig” den Überwachungskapitalisten überlassen.
Auch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz sieht er noch unzureichend geregelt. Konkreter wird er aber nicht - und das, obwohl es in allen Feldern viele Vorschläge gibt, wie man die Probleme angehen kann. Dass Huber darauf gar nicht eingeht, sondern nur allgemein bleibt, ist nicht nur unbefriedigend. Es erweckt schlicht den Eindruck: Er ist nicht up to date.