Melancholische Soundspielerin

Von Andi Hörmann · 18.01.2012
Hinter dem mythologischen Pseudonym Niobe steckt die Kölner Komponistin und Sängerin Yvonne Cornelius. Ihre Songs sind Mini-Hörspiele im Pop-Format. Dafür verwendet sie Geräuschkulissen aus fiktiven Filmen und Sound-Spielereien - analog und digital.
Betongraue Treppen mit Stahlgeländer. Weiß getüncht - die Backsteinwände in dem etwa hundert Quadratmeter großen Loft in der Kölner Neustadt-Süd. Im Eingang stehen Ballonflaschen mit Terpentin und Leinöl: Lösungsmittel, für Bilder auf Leinwänden.

"Mein Freund, mit dem ich seit 18 Jahren zusammen bin, ist Maler. Ein sehr guter figurativer Maler. Und wenn ich hier morgens aufwache und seine schönen Bilder sehe, dann bekomme ich schon sehr, sehr gute Ideen."

Hochhackige Schuhe, olivfarbene Bluse mit Hüftgürtel und Hut mit Krempe. Yvonne Cornelius steht vor einer verspiegelten Schrankwand: Eine Sängerin wie gemalt.

"Ich probe gerade mit ein paar neuen Musikern mein Konzert. Da kommen dann von meinen alten Platten auch Stücke vor. Dieses: Turn Around In The Sun, Ever More Like... (versingt sich) Manchmal vergesse ich meine Texte, wenn ich sie schon lange nicht mehr gesungen haben. "

Yvonne Cornelius nennt sich als Musikerin Niobe. Fruchtbarkeit und Trauer schreibt man dieser Göttin aus der griechischen Mythologie zu. Für sie selbst ist der Künstlername Niobe mehr Sinnbild für Fantasie und Melancholie. So vertont sie in ihrer Musik Geschichten voller Befindlichkeiten: mal beschwingt, mal betrübt.

"Ich musste halt immer meine kleinen Geschwister unterhalten. Meine Mutter sagte dann: Yvonne, kümmere dich doch mal um die Kleinen! Da war ich auch so acht oder neun. Dann sagte ich: O. k., Vera, sag du mir mal ein Wort und Holger, du sagst mir das zweite Wort! Dann mach ich euch daraus eine Geschichte. Zum Beispiel: Ich lud den alten Kasper auf einen alten Esel. Langsam, ganz langsam. Hatte ich ihn endlich oben, hatten alle Engelchen Angst, dass er wieder hinunterfällt."

"Kaspartransport Mit Einmischung Des Herrn Cowboy": das erste Stück auf dem ersten Niobe-Album. 2001 mit dem programmatischen Titel "Radioersatz" erschienen. Die Kompositionen von Niobe sind Minihörspiele im Pop-Format. Auf dem zweiten Album "Tse Tse" etwa: das schlafwandlerische "Good Old Owl" - die gute alte Eule:

Auf "Voodooluba": das tropische "Zur Wilden Flotte".
Schnee bedeckte Berge in einem Skiparadies der 50er-Jahre in dem Titelstück auf "White Hats".
Hollywood-Suspense auf dem Album "Blackbird`s Echo" mit dem Stück "A Shark".

"Ich sehe mich ja in der Avantgarde: Dass ich Vorschläge mache, wie die Musik sich anhören kann. Das ist halt vor Pop.

Meine Eltern haben mir mit zwölf eine Nähmaschine geschenkt, und dann habe ich angefangen zu schneidern. Und hab dabei gesehen, dass das beim Zuschneidern schon total meditativ ist. Und feinmotorisch. Und man kann anfangen zu träumen. Und nachdenken."

Der ausgefallene Kleidungsstil, die Suche nach Melodien, das Treffen der Töne: Nach einer Lehre zur Schauwerbegestalterin besucht Yvonne Cornelius das Musikkonservatorium in Frankfurt am Main - studiert Klavier, Gitarre und Gesang. Seit Anfang der 90er-Jahre wohnt sie in Köln. Ihr Proberaum und Studio liegt nur ein paar Minuten von ihrer Wohnung entfernt.

Ein Schlagzeug im Eingangsbereich. An den Fenstern: Zimmerpalmen. Auf Tisch und Kommode: Mischpult, Keyboard, Computer. In der Ecke: ein Himmelbett. Das Studio von Yvonne Cornelius hat mehr von einem Hotelzimmer. Aufgeräumt, ordentlich und weit entfernt von kreativem Chaos. Die Küchenzeile ist abgeschirmt mit einer Spanischen Wand.

"Ein Paravent. Ja, ich liebe Paravents. Den habe ich mir selbst gebaut."

Hier wird gebohrt, gebaut und gefeilt - an der Musik. Die Werkbank: ein Keyboard aus den 80ern.

"Das habe ich hier drauf mal fertiggemacht. Das soll so eine hawaiianische Sache werden. (singt) Long ago and even tight / That seems a living at my sight... Jetzt kommt der Bass dazu. Dann kommen die Chöre rein. So hawaiianische Mädchen.

Ich liebe Hawaii. Ich bin vernarrt in Hawaii. Ich weiß auch nicht warum. Das ist für mich Stimmung pur. Ich liebe halt die 50er-Jahre und alles, was so mit Hawaii zu tun hat. Honolulu. Ja, James-Bond-Filme vielleicht, aus diesen tropischen Gebieten. Also, ich muss unheimlich oft an James-Bond-Filme denken, wenn ich Musik mache.

Auf meiner Tse-Tse-Platte hat mich dieser schwarze Skelettmann tief beeindruckt, der plötzlich aus dem Boden auftaucht. Mit seinem Zylinder. Um den drum herum habe ich extrem viele Songs geschrieben. Diese Figur hat mich absolut berauscht."

Der Mann im Skelett-Kostüm und Zylinder: Nur eine der vielen Inspirationen für Yvonne Cornelius und ihre Kompositionen als Niobe. Sie selbst trägt auch gerne Hut, aber: mit Einschränkung:

"In Köln muss man immer ein bisschen aufpassen was man da anzieht, weil hier wird alles mit Karneval verwechselt. Die Leute sagen dir hinterher: Wir haben doch keinen Karneval. So ist der Kölner. Das muss ich akzeptieren. Manchmal lassen sie mich auch in Ruhe, dann kann ich schon ein bisschen anziehen was ich will."

Service:
Diesen Winter ist das sechste Studioalbum von Niobe "The Cclose Calll" auf dem Kölner Label Tomlab erschienen. Niobe spielt am 20. Januar 2012 auf dem Pop Freaks Festival in Stuttgart und am 18. Februar in Offenbach.
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