Verbindung von Kunst und Klang

Von Alexandra Müller · 13.12.2010
Michaela Melián liebt Kunst und Musik und ist ein Multitalent. Für die Stadt München hat sie ein virtuelles Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus entwickelt: "Memory Loops" heißt das Audiokunstwerk, in dem 300 Stimmcollagen die Geschichte des NS-Terrors in München erzählen.
"Um den Hals musste er ein Schild tragen mit den Worten "Ich bin Jude, ich werde mich nie mehr bei der Polizei beschweren."

Ein Ausschnitt aus einer der 300 Tonspuren. Worum es geht und wer spricht, erfährt man erst bei längerem Zuhören. Das ist auch die Absicht der Künstlerin: Die Benutzer von "Memory Loops" sollen sich Zeit nehmen. Bewegt man sich auf der Webseite, tauchen viele kleine blaue Kreise über einer gezeichneten Münchner Stadtkarte auf. Hinter jedem anklickbaren Kreis liegt eine Tonspur. Die Zeitzeugen kommen nie selber zu Wort. Was sie erlebt haben, wird von Schauspielern und Kindern nacherzählt:

"Dass ich meine Eltern jahrelang nicht mehr sehen würde, das habe ich mir damals nicht vorstellen können."

Mit Zeitzeugen auch persönlich zu sprechen, hat sich die Künstlerin für ihr Mahnmal zur Aufgabe gemacht und verschiedene Zeitzeugen besucht. Auch die heute 85-jährige B.Green, die in London lebt. Als Maria Beate Siegel wurde sie in München geboren. Ihr Vater, der liberale Jurist, Dr. Michael Siegel, wurde wegen seiner jüdischen Herkunft verfolgt. Maria Beate Siegel hat München am 27. Juni 1939 mit dem Kindertransport nach England verlassen.

"Sie spricht ein sehr gutes Deutsch und ich war einen ganzen Tag bei ihr und hab daraus diesen track gemacht."

Michaela Melián geht es um die Verbindung von Kunst und Klang. Das interessiert die mittelgroße Frau mit den braunen, kinnlangen Haaren, eingehüllt in einen warmen Wollschal. Das zieht sich durch ihre Werke, in denen die 54-Jährige oft politische wie historische Themen aufgreift und mit ihrer eigenen Interpretation verformt und verfremdet. Dazu komponiert Michaela Melián vielstimmige Klangbilder.

"Wichtig ist natürlich die ästhetische Sprache, weil wenn uns Sachen nicht berühren, dann erreichen sie einen auch nicht und darüber muss man eben nachdenken."

Und das kommt an. Auch ihr Mahnmal, das die vergangene Zeit lebendig werden lässt. Weltweit wird die Webseite "Memory Loops" täglich von mehr als 1000 Interessierten besucht. Sogar aus Australien, Südafrika und Amerika hat die Intermediakünstlerin schon Post bekommen.

Auch mit anderen Hörspielen hat Michaela Melián, die sich selbst als chaotisch beschreibt, auf sich aufmerksam gemacht. Für ihr erstes Hörspiel "Föhrenwald" erhielt sie 2006 den Hörspielpreis der Kriegsblinden. Darüber hat sie sich besonders gefreut.

"Dieses Hörspiel ist ja gleichzeitig der Audiotrack für meine Sound-Diainstallation und es war damals schon so die Idee, wie kann ich den Museumsraum verlassen oder den geschützten Kunstraum. Und die Radioanstalt ist sozusagen dafür ein Mittel zum Zweck, dass eben in dem Moment, wo die Arbeit "Föhrenwald" hier in München im öffentlichen Raum installiert war, hat der Bayerische Rundfunk dieses Hörspiel gleichzeitig gesendet.

Und dadurch sind ganz andere Leute eben zu diesem Kunstort gekommen, die sonst normaler Weise da hinkommen würden, weil die zeitgenössiche Kunstwelt ist ja schon so ne Art hermetischer Zirkel und ne sehr geschlossene Gesellschaft. Und das finde ich sehr schön, wenn man die aufbrechen kann, auch solche bestimmten Muster, wie bestimmte Kunstwerke rezipiert werden, auch aufsprengt."

Michaela Melián wurde 1956 in München geboren und wuchs mit vier jüngeren Geschwistern in einem Münchner Vorort auf. Ihre Mutter, eine ausgebildete Pelzschneiderin, kümmerte sich um Haushalt und Familie. Ihr Vater, ein Spanier, war Beamter beim Ministerium und beschäftigte sich viel mit Europäischem Recht, wie die Tochter erzählt. Die Liebe zur Musik bekam sie von ihren Eltern in die Wiege gelegt:

"Sowohl mein Vater, als auch meine Mutter wären glaub ich ganz gerne Opernsänger geworden und bei uns lief immer viel Opernmusik und es wurde unglaublich viel gesungen und eben auch sehr unterstützt, dass wir Instrumente lernen."

Nach dem Besuch eines Gymnasiums wurde Michaela Melián am Münchner Richard-Strauss-Konservatorium angenommen. Vier Semester lang studierte sie Cello, Klavier und Gitarre.

"Ich hab dann ne Tournee gemacht mit einem kleinen Kammerorchester durch Europa in den Semesterferien und ich war so ein bisschen ernüchtert von dem Alltag eines Orchestermusikers muss ich ganz ehrlich sagen (lacht). Ich wollte einfach mehr freier Musik machen, selber produzieren."

Dieser Wunsch war so groß, dass Michaela Melián das Musikstudium aufgab und mit Mitte 20 ein Kunststudium an der Münchner Akademie der bildenden Künste begann. Seit diesem Semester hat sie eine Professur an der Hamburger Hochschule für bildende Künste im Fachbereich zeitbezogene Medien. Eine Arbeit, die ihr Spaß macht, wie sie betont.

"Dieser Zeitbezug, (...) da wird alles bearbeitet, was eben eine Zeitachse hat, das kann die Performance sein bis hin zur Audioarbeit."

Zusammen mit ihrem Mann, einem Schriftsteller und Musiker, und der gemeinsamen Tochter Juno lebt sie im Münchner Umland. Ihre Tochter ist 21. Sie studiert, schreibt, arbeitet für einen Studentensender und möchte vor allem ihr eigenes Ding machen.

Auch Michaela Melián hat ihr eigenes Ding gemacht, als sie mit Mitte 20 ihr klassisches Musikstudium abbrach, um Kunst zu studieren und freiere Musik zu spielen. Das war vor 30 Jahren. Zu dieser Zeit hat sie ihren Mann kennen gelernt. Mit ihm und anderen hat sie die Band "F.S.K." gegründet, in der sie bis heute Bass spielt. Neben den vielen anderen Dingen, die sie sonst noch zu tun hat, auch mit ihrem jüngsten Kind "Memory Loops".

Hompage Memory Loops