Milena Busquets: "Meine verlorene Freundin"

Frivolität und Erinnerung

06:05 Minuten
Cover von Milena Busquets Roman "Meine verlorene Freundin"
© Suhrkamp Verlag

Milena Busquets

aus dem Spanischen übersetzt von Svenja Becker

Meine verlorene FreundinSuhrkamp, Berlin 2022

136 Seiten

22,00 Euro

Von Victoria Eglau · 22.06.2022
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In dem neuen Roman der katalanischen Erfolgsautorin Milena Busquets versucht die snobistische Ich-Erzählerin, sich an eine verstorbene Kindheitsfreundin zu erinnern. Hat sie Gema kurz vor ihrem Tod noch einmal gesehen? Diese Frage wird zur Obsession.
Sie ist Mitte vierzig und Übersetzerin, hat zwei Söhne von verschiedenen Vätern und lebt ein sorgloses Leben in der intellektuellen Oberschicht von Barcelona - zwischen Theaterpremieren, Restaurantbesuchen und Nächten mit ihrem berühmten Schauspielerfreund. Eines Abends speist die namenlose Ich-Erzählerin zufällig in einem Lokal, das einst den Eltern ihrer Kindheitsfreundin Gema gehörte. Und da kommt, wie aus einem dichten Nebel, die Erinnerung an Gema zurück, die mit fünfzehn Jahren an Leukämie starb. "Gema ist für mich immer der Name einer Toten gewesen. Oder nicht immer, aber seit gut dreißig Jahren, und das ist fast dasselbe", schreibt Milena Busquets gleich im ersten Satz ihres Romans.

Erinnerung, die trügerisch sein kann

Doch "Meine verlorene Freundin" ist kein Buch über Gema. Zu wenig ist es, was die Ich-Erzählerin, vermutlich das Alter Ego der katalanischen Autorin, über die jung Verstorbene herausfindet, als sie mit einer Art Recherche beginnt: Google, Klassenfotos, Traueranzeigen, Gespräche mit Freundinnen, die Gema kannten, und ein Besuch in der alten Schule. Die Frage, ob sie Gema kurz vor deren Tod noch einmal auf dem Schulhof begegnet ist und dort mit ihr geredet hat, wird zur Obsession. Niemand kann sie ihr beantworten. In ihrem Roman berührt die 1972 geborene Milena Busquets existentielle Themen wie die Erinnerung, die trügerisch sein kann, und den Tod.  
Aber "Meine verlorene Freundin" dreht sich vor allem um die Protagonistin selbst: Um ihre Weltanschauungen, um Männer und Sex, um ihre Kinder, um vorteilhafte und unvorteilhafte Kleidung und um ihre Arbeit als Übersetzerin, die stets zu langsam vorangeht. In seiner Leichtigkeit und Frivolität ähnelt das Buch dem erfolgreichen Vorgängerroman "Auch das wird vergehen", in dem die Autorin sich mit dem Tod ihrer Mutter, der bekannten Verlegerin und Schriftstellerin Esther Tusquets, auseinandersetzte. Dabei ist Frivolität für Milena Busquets nicht negativ besetzt. Sie bezeichnet sie an einer Stelle ihres neuen Buches als „wundervolles Vehikel für Klugheit und Witz“.

Lässig-elegant und geistreich geschrieben

Zweifelsohne ist der Roman lässig-elegant, amüsant und geistreich geschrieben. Zu seinem Charme trägt auch die Ehrlichkeit und Selbstironie der Ich-Erzählerin bei, die zum Beispiel keinen Hehl aus ihrem Snobismus macht, oder aus ihrer Abneigung und Scheu gegenüber dem Alter(n), oder aus ihrer skeptischen Haltung zu Freundschaft ("Wie läppisch war Freundschaft doch verglichen mit Begehren!"). Trotz aller Leichtlebigkeit: Das unerwartete und verstörende Auftauchen des Gespenstes ihrer Freundin lässt die Protagonistin innehalten, zurückschauen, in sich hineinhorchen. Ihre Spurensuche und ihre Auseinandersetzung mit dem Tod und der Vergangenheit kratzen jedoch ziemlich an der Oberfläche und bleiben etwas unbefriedigend.

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